Weil wir träumten
- Thienemann
- Erschienen: Januar 2022
- 1
Hardcover, 448 Seiten
ISBN: 9783522202770
Etwas überladen, aber trotzdem top
Leben: Nichts wünscht sich Emma inniger als den Zauber einer lebensfrohen Umgebung auf sich wirken zu lassen. Obwohl die Teenagerin schwer herzkrank ist und unzählige Wochen in sterilen Krankenzimmern zugebracht hat, will ihre Urgroßmutter Elise ihr den von Lebenshunger getriebenen Wunsch erfüllen und mit Emma ein paar Tage in Madagaskar verbringen. Zunächst scheint es, als ob die Anstrengungen sich für Emma in Grenzen halten – bis Emma die junge Fy kennenlernt, die in der Lodge arbeitet, in der Emma und Elise abgestiegen sind. Je mehr sich die beiden Mädchen anfreunden, desto klarer tritt der Unterschied der beiden Welten zutage, in denen sie leben. Emma erkennt immer mehr, dass das vermeintliche Paradies hinter den Kulissen Elend, Gewalt und Ausbeutung bedeutet. Kurzentschlossen wirft Emma alle gesundheitlichen Bedenken über Bord und begibt sich mit Fy auf eine gefährliche Mission. Dabei lernt sie nicht nur den Abgrund der Menschlichkeit kenne, sie erlebt auch die erste Liebe und eine innige Freundschaft.
Zwei Themenbereiche
Die Autorin Antonia Michaelis schlägt mit ihrem Roman einen sehr schmalen Weg ein. Die Kombination zweier solch gewaltiger Themenkomplexe braucht großes Fingerspitzengefühl. Da und dort gerät der Roman denn auch ein wenig vom Weg ab und droht, auf die eine oder andere Seite abzurutschen, kann sich aber im letzten Moment noch fangen. Beide Szenarien – die Krankheit von Emma und Fys Spirale von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch – verlangen von den Leserinnen und Lesern einiges ab. Die eine oder andere Situation wirkt entsprechend auch leicht überladen. Dennoch kann man sich dem intensiven Sog der Geschichte kaum entziehen und vermag es deshalb, die große Last der beiden Themen einigermaßen zu schultern.
Sehr feine Zwischentöne
Ausgesprochen gut gelingt es der Autorin, nebst der Wucht der Hauptthemen dem Roman zahlreiche feine Zwischentöne zu geben. Immer wieder flammt Lebensfreude und ein Hauch von Glück auf, die eine solide Basis bilden und damit die Düsternis der beiden Hauptkomplexe zu brechen vermögen. Die beiden Protagonistinnen Emma und Fy sind wunderbar gezeichnet und als Figuren von starker Überzeugungskraft – wohl auch, weil beide grundsätzlich einem starken Lebenshunger folgen – wenn auch aus unterschiedlicher Position. Dass es Antonia Michaelis trotz vieler trauriger Momente gelingt, das Buch in einem positiven Tenor zu halten zeugt nicht nur von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Stoff, sondern auch von einem beträchtlichen Talent der Autorin. Sie versteht es, die verschiedenen Facetten nebeneinander existieren zu lassen, ohne die eine oder andere zu dominant werden zu lassen. Der Roman ist zudem in einer leichten und mit einem Touch Witz versehenen Sprache geschrieben – das, ohne die Ernsthaftigkeit der Themen in Frage zu stellen. Eine weitere, wichtige Rolle neben Emma und Fy kommt Elise zu, die mit großem Herzen und ebensolch großer Weisheit mit allem umgeht und ihrer Urenkelin ein kleines Stücklein „Normalität“ schenkt.
Fazit
Weil wir träumten ist ein intensiver Roman, der trotz einiger weniger Schönheitsfehler auf der ganzen Linie überzeugen kann. Geschrieben ist die Geschichte mit einer beeindruckenden Kraft und viel Feingefühl. Das ergibt eine Mischung, die nicht nur beim Lesen in Bann zieht, sondern noch lange nachhallt.
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