Einblick in eine bedrückende Welt
Sie begegnen sich an einem Ort, der vorher für sie unvorstellbar gewesen wäre: Haruko und Margot gehören zu den Kindern, die zusammen mit den Müttern ihren Vätern in ein Internierungslager der USA gefolgt sind. Es ist die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Margots Familie muss ihr Leben in Iowa aufgeben, denn als Menschen mit deutschen Wurzeln werden sie als Feinde der USA betrachtet. Das gilt nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor auch für Harukos Familie. Das, obwohl die Familien längst US-Bürgerinnen und Bürger sind. Misstrauisch begegnen sich die beiden Gruppen Internierter. Für die Japaner sind alle Deutschen Nazis, für die Deutschen hingegen die Japaner Feinde ihres Heimatlands USA. Als Margot in die High-School für die japanischen Kinder eingeteilt wird, steht ihr ein Spießrutenlauf bevor. Dennoch freundet sie sich nach und nach mit der gleichaltrigen Haruko an. Die beiden Mädchen entdecken Gemeinsamkeiten und überwinden ihre Unterschiede. Eine tiefe Freundschaft entsteht, die letztlich jedoch durch ein tragisches Ereignis im Lager überschattet wird.
In Europa kaum bekannt
Was Monica Hesse hier erzählt, ist ein Kapitel der Weltgeschichte, das in Europa nur wenig bekannt ist – vor allem aber bei Jugendlichen kaum in Erscheinung getreten sein dürfte. Entsprechend hinterlässt die Story die Leserinnen und Leser in einer Art Fassungslosigkeit, die nicht nur darin begründet ist, dass zumindest ein Teil der Lagerinsassen deutsche Wurzeln hat und deshalb die Menschen hierzulande nochmal stärker berühren dürfte. Der Umstand, dass auch in den USA überzeugte Nazis den anderen Menschen das Leben schwermachten und mit dazu beitrugen, die Bürgerinnen und Bürger mit deutschen Wurzeln unter Generalverdacht zu stellen, dürfte für viele überraschend sein. Sehr gut aufgearbeitet hat die Autorin den Rassismus zwischen den beiden Lagergruppen, die zwar beides als Feinde der USA galten, sich gegenseitig aber mit Misstrauen und Ablehnung begegneten. In der Figur ihrer beiden Protagonistinnen hat Monica Hesse deutlich gemacht, dass diese Unterschiede mit gutem Willen und der Bereitschaft, sich auf das Fremde einzulassen, hätten bewältigt werden können.
Eine ruhige Geschichte
Obwohl die Situation gleichermaßen berührend wie auch beklemmend ist, wirkt das ruhige Dahinplätschern der Geschichte irgendwann etwas langweilig. Die Entwicklungen sind bis auf wenige Szenen sehr langsam und vorsichtig wahrzunehmen und man muss die Bereitschaft mit sich bringen, sich ganz auf das ungewohnte Setting einzulassen, um die Geschichte in ihrer tiefgründigen Schönheit akzeptieren zu können. Hilfreich könnte hier sein, die geschichtlichen Erläuterungen der Autorin vorzuziehen, um eine Basis für das Geschehen im Roman zu legen und die Vorgänge tatsächlich nachvollziehen zu können. Angekündigt ist eine Geschichte voller Emotionen, diese aber fallen selbst dann eher verhalten aus, wenn es um entscheidende und verstörende Situationen geht. Hier hätte Monica Hesse durchaus mit etwas lauteren Tönen arbeiten dürfen.
Fazit
Zeit der Lügen ist ein Stück Weltgeschichte, bei dem sich näheres Hinsehen absolut lohnt. Allerdings braucht es einen langen Atem, um die ganze Tragweite der Geschichte erkennen zu können, die hier präsentiert wird.
Deine Meinung zu »Zeit der Lügen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!