Flucht aus dem Rampenlicht
Endlich hat Anna ihr Abi in der Tasche. Allerdings ist sie sich noch gar nicht im Klaren darüber, was sie nun mit ihrem Leben anfangen möchte. Das Einzige, was sie sicher weiß: sie will nicht in das Lifestyle-Unternehmen „Lose it & Love it“ ihrer Familie einsteigen. Als sie zum Abi einen Luxusurlaub in Portugal geschenkt bekommt, freut sie sich nur mäßig: Sie hätte die Ferien lieber mit ihren beiden Freundinnen Polly und Anouk verbracht. Einen Tiefpunkt erlebt Annas Laune, als sie erfährt, dass ihr Portugalurlaub mit einem Fotoshooting von Lose it & Love it“ verbunden ist und sie ihr Zimmer auch noch mit ihrer einstigen Freundin Lara teilen soll, mit der sie inzwischen nur noch eine oberflächliche Freundschaft verbindet. Und dass Lara rettungslos in Annas Bruder Paul verschossen ist, macht die Sache nicht besser.
Wie gut, dass da Helena auftaucht, die Anna mit auf ihre Auffangstation für Hunde nimmt. Schon nach wenigen Momenten erkennt Anna, dass hier das echte Leben spielt. Sie ist vom Elend erschüttert und gleichermaßen von Helenas Arbeit beeindruckt. Aber dass ausgerechnet der seltsame Fynn, mit dem sie einen Zusammenstoß hatte, hier arbeitet, schreckt Anna zunächst ab. Dennoch lässt sie sich auf das Abenteuer ein und erlebt eine Achterbahn der Gefühle.
Luxus contra Elend
Autorin Kyra Groh arbeitet bewusst mit dem Gegensatz „Luxus“ und „Elend“. Um aus dem Schema „reicher Mensch verliebt sich in armen Menschen“ auszubrechen, hat sie das Elend an einem anderen Ort angesiedelt – und trifft damit direkt ins Herz. Die Beschreibungen des Zustandes der Hunde, die bei Helena Unterschlupf finden, berühren mindestens so sehr wie die Liebesgeschichte zwischen Anna und Fynn. Der Part mit den Hunden gibt dem Roman eine Tiefe, die es die Geschichte von Anna selber nicht vermocht hätte. Zwar überzeugt auch die Figur Anna in ihrer Unschlüssigkeit und der Unfähigkeit, sich den Wünschen ihrer Umgebung entgegenzustellen, doch hätte dies alleine noch keinen so tragfähigen Boden gebildet. Dass die junge Frau durch ihre Arbeit in der Hundestation reift und plötzlich erkennt, wie wichtig es ist, eigene Bedürfnisse nicht nur wahrzunehmen, sondern auch konsequent zu berücksichtigen, ist allerdings eine der positiven Entwicklungen des Romans.
Moderne Gesellschaft abgebildet
Mit spitzer Feder skizziert Kyra Groh die moderne Gesellschaft mit dem Bedürfnis, alles ins Rampenlicht zu stellen und das Privatleben der Öffentlichkeit zu opfern. Dass sich nicht alle in der Welt von Influencern und Social Media wohl fühlen, stellt die Autorin in der Figur von Anna überzeugend dar. Dass Groh dann bei der Liebesgeschichte etwas tief in die Kiste der Klischees greift, mag man angesichts des überzeugenden Settings verzeihen. Die süffige und mit feinem Humor gewürzte Sprache lässt den Roman zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis mit vielen berührenden Szenen werden.
Fazit
Was sich zunächst einfach wie ein unterhaltsamer Young-Adult-Roman liest, bekommt schnell an Tiefe und hält einige äußerst berührende und nachdenklich stimmende Momente bereit. Man muss durchaus kein ausgesprochener Hunde-Fan sein, um dieses Buch zu mögen. Aber man könnte durch den Roman zu einem solchen werden.
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