Ein Präsident hautnah
Kommt ein Präsident der Vereinigten Staaten bereits mit einem Plan fürs Leben auf die Welt? War er als Kind immer hochmotiviert für die Schule, auf jede Arbeit top vorbereitet oder hatte er auch mal keinen Bock? War er beliebt und hatte er viele Freunde? War er schon von klein auf politisch engagiert? Auf Fragen wie diese gibt Barack Obama in seiner Teilautobiographie Ein amerikanischer Traum Antworten. Die jetzt erschienene überarbeitete Ausgabe des bereits 1995 veröffentlichten Originals wurde für junge Leser*innen neu erzählt und ist es definitiv wert, gelesen zu werden.
Es mag eigenartig anmuten, aber bekannte und bedeutende Persönlichkeiten waren auch mal Kinder. Je nachdem, in welchem Umfeld sie geboren wurden, ist ihr Lebensweg nicht bereits mit dem Tag der Geburt festgelegt, sondern durch sie selbst frei gestaltbar – inklusive Rückschlägen und Zweifeln, die das Leben mit sich bringt. So wie jeder von uns trägt auch Barack Obama seine Familienhistorie mit sich herum, in der er, als Kind einer Amerikanerin und eines Kenianers, nicht nur mit der familiären Sozialisation klarkommen muss, sondern auch noch zwischen zwei Kulturen balanciert und in der das Thema Hautfarbe ganz stark die Frage nach der eigenen Identität beeinflusst.
Aufwachsen zwischen Kulturen
Obama beschreibt sehr persönlich und nah seine ersten Lebensjahre bis ca. Mitte seiner 20er. Wir erfahren, wie seine Eltern sich kennenlernten, warum seine Mutter ihn mehr oder weniger allein großziehen musste, wie er die Zeit als Kind in Indonesien empfunden hat und wie er sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr die Frage stellt, wer er eigentlich ist, was ihn ausmacht, was seine Wurzeln sind und wo er hin möchte.
Solche Fragen sind natürlich prinzipiell sehr komplex und nicht leicht zu beantworten, Obama schafft es aber in der überarbeiteten Übersetzung, das Dilemma verständlich und nachvollziehbar zu schildern, ohne dabei jedoch existenziell zu wirken. Er verwendet plastische und eindrückliche Bilder und zeigt, bei aller Grübelei und dunklen Phasen, den Lichtstreif am Horizont auf. Es ist zweifelsohne beeindruckend, mit welchen Fragen er sich bereits in jungen Jahren beschäftigte, Fragen, mit denen die meisten von uns wahrscheinlich nicht in Berührung kommen. Ernsthaft und tiefgründig setzt er sich mit ihnen auseinander, teilweise erscheinen sie fast lebensbestimmend, in dem sie ihn daran hindern, frei zu überlegen, was er tatsächlich möchte. Das Finden einer Antwort war ein langer und schmerzhafter Prozess, der in Summe aber Teil der Motivation ist, die ihn letztendlich zu dem gemacht hat, was er geworden ist.
Beim Lesen des Buches ist es wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass hier nicht der amerikanische Präsident schreibt. Barack Obama schrieb es 1995, also 14 Jahre vor seiner Wahl zum 44. Präsidenten der USA. Mit dem Wissen um seine Person und Karriere, das wir jetzt haben, mag es manchmal eigenartig persönlich erscheinen, gleichzeitig machte ihn aber diese (scheinbare) Nahbarkeit auch als Präsident aus. So erfahren die Leser*innen von seiner (phasenweise) mangelnden Motivation für die Schule, Alkohol- und Drogenphasen, von seiner Verwandtschaft in den Slums von Nairobi und Tränen am Grab seines Vaters. Dieser ehrliche und unmittelbare Ton spricht direkt an und vermittelt darüber natürlich Botschaften, ohne permanent mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln.
Die persönlichen Einblicke in sein Leben, seine Kindheit, Jugend und seinen inneren Kampf sind flankiert von einem Fototeil in der Mitte des Buches. Darin ist Obama in unterschiedlichen Altersstufen im Kreis seiner Familie in den USA, Indonesien und Afrika zu sehen, wodurch die erzählte Geschichte eine gute Bebilderung erfährt.
Fazit
Die persönlichen und nahbaren Schilderungen des späteren Präsidenten der USA sind ein besonderes, sehr privates Stück Zeitgeschichte.
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