Auch junge Leoparden haben Flecken

Hardcover, 192 Seiten

ISBN: 9783764171216

Auch junge Leoparden haben Flecken
Auch junge Leoparden haben Flecken
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Sabine Bongenberg
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonApr 2022

Viel Abenteuer, wenig Gesellschaftskritik

An der somalischen Küste gibt es wenig Hoffnung. Das Meer ist vergiftet, die Fischer haben schon lange ihr Gewerbe aufgegeben, irgendwie schlägt man sich so durch. Der 15jährige Geedi lebt hier mit seinen Eltern und Geschwistern, aber es ist mittlerweile nur noch die Schwester Amina übrig geblieben, denn sein großer Bruder Aayan ist zu den Piraten gegangen. Das ist jetzt nicht so ein Karnevalsverein oder eine Jugendgruppe. Nein, Aayan ist wirklich bei den somalischen Piraten gelandet, die große Frachtschiffe überfallen, ausplündern und die Menschen, die auf diesen Schiffen arbeiten, als Geiseln nehmen.

Leider haben Geedi und seine Familie jetzt schon lange nichts mehr von Aayan gehört. Hinter der vorgehaltenen Hand tuscheln einige, dass er bei dem gefährlichen Beruf bestimmt gestorben ist, da steht der große Bruder plötzlich vor der Tür und es scheint ihm gut zugehen und schick angezogen ist er auch! Aber er scheint nur zu Besuch zu sein und will sich alsbald wieder leise, leise davonschleichen. Aber Geedi würde doch so gerne wissen, wie es denn bei den Piraten zugeht…

„Schau, Geedi, die holen unsere Zukunft aus dem Meer.“

Andreas Brettschneider schildert in seinem Jugendroman Auch junge Leoparden haben Flecken die Geschichte dreier somalischer Geschwister. Der älteste gibt den Takt vor, er ist derjenige, der sich bei einer Nacht und Nebelaktion zu den Piraten aufgemacht hat und es wird gemunkelt, dass er im Gefolge des berühmten Piratenoberhauptes Nidar gelandet ist. Ihm folgt der 15jährige Geedi heimlich nach, denn er möchte sich einerseits im Umfeld des geliebten und vermissten Bruders aufhalten und außerdem möchte er natürlich auch Abenteuer erleben.

Bis zu diesem Punkt lassen sich meiner Meinung nach tatsächlich gesellschaftskritische Tendenzen erkennen: Das Meer an der somalischen Küste ist vergiftet, den Fischern wurde ihre Lebensgrundlage entzogen und nur das, was vom reichlich gedeckten Tisch der Europäer herab krümelt, bleibt für die Afrikaner übrig. In den ersten Kapiteln werden die Europäer, die sich an Afrika bereichern, tatsächlich angeklagt. Leider wird aber auch nicht viel über die Ausbeutung erzählt und ich hatte doch so ein bisschen den Verdacht, dass dieses Thema dem Autor nicht so wirklich liegt. Genauso wie übrigens dem Verlag die Biologie nicht so liegen dürfte, denn wenn mich nicht alles täuscht, ist das, was da auf dem Titel sitzt, ein Gepard – auch wenn er mit den Leoparden-Rosetten versehen wurde. Aber das nur am Rande.

Alles nur ein großes Abenteuer?

Nachdem Geedi sich aber dazu entschieden hat, seinem Bruder zu den Piraten zu folgen und sogar dem gefürchteten Hauptmann Nidar von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten, entwickelt sich das Buch deutlich zu einem reinen Abenteuerroman. Der ist gut aufgebaut und die Raubzüge der kriegerischen Truppe und ihre Konflikte mit anderen Piratenbanden sind spannend und mitreißend geschildert, dennoch kommt hier für meinen Geschmack eine moralische Auseinandersetzung zu kurz.

Es ist vielmehr geklärt, dass Aaynur und seine „Kollegen“ im Prinzip ja keine andere Wahl haben, als mit Überfällen ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, also kann eine Auseinandersetzung mit Gewalt und Raub hinten angestellt werden. Durch den Vergleich mit einem anderen Banditen-Kapitän, der nicht nur Schiffe überfällt, sondern auch noch Geiseln nimmt, diese misshandelt, foltert und erst nach einer Lösegeldzahlung wieder freilässt, entstand bei mir auch der Eindruck, dass die Taten, die Aaynurs Bande begeht, ja eigentlich gar nicht mal so schlimm sind. Bei Geedi vermisste ich auch eine wirkliche gedankliche Auseinandersetzung mit seinem Bruder, der ja sicherlich nicht mehr das praktiziert, was ihm zuhause anerzogen wurde. Gar nicht angesprochen wurde auch die Rolle Aminas, der Schwester Aaynurs und Geedis, die nicht die Schule besuchen darf und überhaupt in der afrikanischen Gesellschaft immer noch eine komplett untergeordnete Rolle spielt.

Fazit

Andreas Brettscheider hat einen spannenden und energiegeladenen Jugendroman über die modernen Piraten und den Wunsch eines 15jährigen dazuzugehören, verfasst. Dennoch: Ein bewaffneter Überfall auf hoher See dürfte nicht immer so harmlos ausgehen, wie der Autor es uns glauben machen möchte, tatsächlich ist ein Leopard ein gefährliches Tier und auch ein junger Leopard hat Zähne und Krallen.

Auch junge Leoparden haben Flecken

Andreas Brettschneider, Ueberreuter

Auch junge Leoparden haben Flecken

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