Mitten in die Fresse
Der 15-jährige Mahmoud ist Pakistani und lebt mit seinen Eltern in Oslo. Obwohl es die Familie einst auf der Suche nach einem besseren Leben hierherzog, ist doch nicht alles so, wie sie es sich vorgestellt haben. Besonders die kulturellen Unterschiede sind nicht zu übersehen. Da ist es schwer, sich zu integrieren – besonders, wenn der eigene Bruder so ganz anders ist, als ein pakistanischer Junge sein sollte …
„Die Hitze hat auch Norwegen erwischt, jetzt wissen die norwegischen Norweger, was uns Ausländer hierhertreibt! Nicht nur Krieg, Hunger, Not und der Wunsch nach `nem bessren Leben, sondern auch 45 Grad im Schatten!“
Im Plattenbau-Viertel von Oslo lebt es sich nicht gerade angenehm. Mahmoud träumt davon, nach der Schule zu studieren, dafür muss er aber noch besser werden in der Schule. Seine Mutter putzt und schmeißt den Haushalt, während sein Vater Taxi fährt und sich kaputtarbeitet. Trotzdem ist die kleine Familie zufrieden.
Dann kommt Mahmouds Onkel Ji aus Pakistan zu Besuch. Seine Vorstellung von Norwegen wird bei Weitem übertroffen, weshalb er sich wünscht, auch nach Oslo auszuwandern. Doch die Politik Norwegens will das nicht – es sind schon genug Ausländer eingewandert. Trotzdem versucht Ji immer wieder, Gründe zu finden, warum er einwandern könnte.
Mahmouds kleiner Bruder Ali hat indes mit eigenen Problemen zu kämpfen. Am liebsten trägt er den Schmuck seiner Mutter und mag Barbie- und Prinzessinnenpuppen. In einer Kultur, in der Männer hart und stark sein müssen, ist das ein No-Go. Dennoch versucht Mahmoud seinen Bruder vor der Welt und der pakistanischen Kultur zu schützen. Doch wie soll das gehen, wenn Ali noch nicht versteht, dass sein Verhalten für andere falsch ist?
Dran bleiben!
Dieses Erstlingswerk des norwegischen Autors Gulraiz Sharif ist in seiner Heimat eingeschlagen wie eine Bombe. Das Cover ist sehr simpel gehalten und zeigt ein Hochhaus, das wohl an die Plattenbausiedlung der Familie von Mahmoud angelehnt ist. Es ist ein typisches Viertel, wie man es überall in Europa findet, in dem vor allem Immigranten leben, die auf ein besseres Leben gehofft haben. Doch es gibt Vorurteile, kulturelle Unterschiede und auch Gegenwind durch Politik und Gesellschaft, die eine Eingliederung erschweren. Das Buch ist ganz klar gesellschaftskritisch zu verstehen; es werden sogar aktuelle norwegische Politikerinnen genannt, die dem rechten Flügel angehören und gegen die Einwanderungspolitik sind.
Daneben ist da noch Ali, Mahmouds Bruder, der ein weiteres Thema aufmacht: die eigene Identität. Ali ist zwar noch jung, versteht aber schon, dass etwas anders an ihm ist. Sein Vater will ihn männlicher haben, während Mahmoud ihm seine kindliche Phase lassen möchte, wo er noch mit Puppen spielen darf. Doch Alis Verhalten ist nicht nur eine Phase, und Mahmoud beginnt zu verstehen, dass viel mehr dahintersteckt. Wie soll er das seinen Eltern verständlich machen?
Das dritte große Thema behandelt die kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Nationen, die es neben den „norwegischen Norwegern“ gibt. Mahmouds Onkel verstärkt dies nochmal durch seinen Kulturschock, den er bei seinem Besuch erlebt.
So sachlich wie diese Rezension nun geschrieben ist, soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gulraiz Sharif einen einzigartigen, frechen Schreibstil hat. Man würde es veraltet vielleicht als Gossensprache bezeichnen, denn es wird so viel geschwört, gealtert, gebrudert und geflucht, dass einem schnell die Ohren wackeln. Tatsächlich hat es bei mir auch ungefähr die Hälfte des Buches gedauert, bis ich mich dran gewöhnen konnte. Das ganz große Aber dazu: Es lohnt sich! Die Geschichte ist mit so viel Herz und Humor geschrieben, dass man das Buch mit Tränen, Gänsehaut und Lachfalten zur Seite legt. Ich kann nur empfehlen, es auszuprobieren und durchzuhalten!
Fazit
Ein frischer Wind in der Jugendbuch-Welt: Ey hör mal! ist nicht nur ein frecher Schlag ins Gesicht, sondern zeigt vor allem viel Herz und regt zum Nachdenken an.
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