Die Gespenster von Demmin

  • dtv
  • Erschienen: März 2022
  • 1

Broschur, 240 Seiten

ISBN: 9783423627573

Die Gespenster von Demmin
Die Gespenster von Demmin
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Julian Hübecker
6101

Jugendbuch-Couch Rezension vonApr 2022

Eine bedrückende Stimmung

Larry will unbedingt Kriegsreporterin werden und verbringt einen großen Teil ihrer Zeit damit, sich darauf vorzubereiten. Was soll sie auch anderes tun? Ihre Mutter hat ein Date nach dem anderen und ihr Vater fährt irgendwo mit seinem LKW herum. Sie will nur raus hier – raus aus Demmin, einem Ort, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs traurige Berühmtheit erlangte …

„Hätte sie nicht unter den Decken versteckt gelegen, vielleicht hätten sie ihre Mutter dann in Ruhe gelassen und stattdessen sie mit nach oben genommen. (…) Vielleicht wäre dann auch alles andere nicht passiert.“

Larry weiß, dass sie als Kriegsreporterin einer ständigen Gefahr ausgesetzt ist: Folter ist gar nicht so unwahrscheinlich, daher steckt sie sich auch schonmal in eine Kiste oder hängt sich kopfüber von einem Baum – über 20 Minuten hält sie mittlerweile durch. Warum sie unbedingt diesen gefährlichen Beruf ausüben will, ist ihr selbst nicht so klar – aber es ist gut, eine Zukunftsvision zu haben.

Wovon soll sie auch sonst träumen? Die Ehe ihrer Eltern ist nach dem frühen Tod ihres Bruders kaputt, ihren Vater sieht sie nur ab und zu, wenn er mit dem LKW in der Nähe ist. Ihre Mutter unterdrückt die Trauer und ist auf der Suche nach dem Mann fürs Leben. Dieser Jemand könnte Benno sein, der auch prompt bei Larry und ihrer Mutter einzieht, weshalb die Beziehung zwischen Mutter und Tochter weiter auseinanderdriftet.

Nebenan wohnt die alte Frau Dohlberg. Ihre Beine werden schwach, weshalb sie in ein Heim umziehen soll, wo sie ihren Lebensabend verbringen kann. Das Ausmisten bringt jedoch Erinnerungen zu Tage an eine Tragödie, die Demmin zu einem verfluchten Ort machen. Die Schwere ihrer Historie überdeckt die Stadt bis heute. Und Frau Dohlberg hat dies alles miterlebt …

Etwas anders als erwartet

In Verena Kesslers Roman Die Gespenster von Demmin wird eine tragische Geschichte hervorgeholt, die eine Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern auf einen Schlag berühmt machen wird: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 fürchteten viele Zivilisten den Zorn der sowjetischen Soldaten, Vergewaltigungen und Morde. Aus diesem Grund brachten sich hunderte Einwohner um – meist Frauen, die sich und ihre Kinder ertränkten, erhängten, vergifteten oder ihnen die Pulsadern aufschnitten. Der nahe Fluss Peene soll voller Leichen gewesen sein. Diese Tragödie des Zweiten Weltkriegs ist eine wenig beachtete und bietet genügend Stoff für eine interessante Geschichte.

Dementsprechend wurde auch erwartet, dass der Massensuizid einen Bezug zu Larrys Geschichte liefert. Vielmehr kristallisiert sich aber ein Coming-of-Age-Roman heraus, während Frau Dohlbergs Erleben 1945 nur eine Randerscheinung darstellt. Zwar hat Kessler die drückende Atmosphäre der Stadt gut eingefangen – als würde die Geschichte wie ein Leichentuch über dem Ort liegen. Doch die Verflechtung und eine historische Auseinandersetzung sind ihr nicht geglückt.

Dennoch begleitet man Larry gerne durch ihr Leben und ihre Sorgen. In ihrem Inneren ist sie zerrüttet, weiß aber nicht so recht, wie sie damit umgehen soll. Ihre beste Freundin Sarina und Timo, der Kerl vom Netto, sind eine erfrischende Ergänzung, um Larrys Probleme besser zu verstehen. Im Grunde geht es um Aufarbeitung und Reflexion, die Larry zulassen muss.

Fazit

Ein Coming-of-Age-Roman, der nicht ganz das erfüllt, was man unter Umständen von ihm erwarten könnte. Der unaufgeregte, aber passende Schreibstil der Autorin begleitet ihre Leser durch das Buch.

Die Gespenster von Demmin

Verena Keßler, dtv

Die Gespenster von Demmin

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