Eine verfluchte Prinzessin, ihre Vogel-Brüder und die große Liebe
Prinzessin Shiori führt eigentlich ein sorgenfreies Leben. Mit ihren sechs Brüdern lebt sie in einem großen Palast und auch wenn sie lästige und langweilige Unterrichtsstunden über sich ergehen lassen muss, ist ihr Leben als Prinzessin bis jetzt ganz angenehm. Doch bald soll sie verheiratet werden – mit einem nichtssagenden Lord aus irgendeinem Kaff im Norden des Reichs. Und wie jeder weiß, ist der Norden voller Barbaren. Auch, dass sie dann so weit weg von ihren geliebten Brüdern und Vater getrennt sein wird, schmerzt Shiori. Allein ihre Stiefmutter wird Shiori nicht vermissen.
Doch es kommt alles anders, denn Shiori sieht etwas, das sie nicht sehen sollte. Und so verbannt Shioris Stiefmutter sie und ihre Brüder aus dem kaiserlichen Palast. Damit die kaiserlichen Kinder ja nichts erzählen können, verwandelt die Stiefmutter Shioris Brüder in Kraniche. Shiori selbst wird auch verflucht, sodass sie keiner erkennen kann. Und wenn Shiori nur einen Laut von sich geben sollte, sterben ihre Brüder. Kann sie ihre Brüder finden und den Fluch, der auf sie alle lastet, brechen? Dieser ist nicht das Einzige, das das Leben der kaiserlichen Familie bedroht. Denn ein Krieg droht das Kaiserreich zu zerbrechen und finstere Mächte freizulassen.
Shiori – Prinzessin der Herzen
Ich habe mich schon direkt auf den ersten Seiten in Prinzessin Shiori verliebt. Sie ist eine wunderbar chaotische und liebenswerte Figur, dass ich nicht anders konnte. Auch wenn sie schon fast erwachsen ist – knapp 17 Jahre ist sie am Anfang des Buchs alt –, wirkt sie teilweise sehr kindlich. Und auch wenn sie manchmal ein verwöhntes Gör ist, macht sie diese Seite von sich mit kindlicher Neugier und Offenheit wett. Dass ihr dann so viel Leid widerfährt, bricht einem das Herz. Vor allem die ständige Angst um ihre Brüder macht sie in meinen Augen zu einer meiner Lieblingsfiguren.
Leider gibt es einen Zeitsprung mehr oder weniger direkt, nachdem Shiori verflucht wird, sodass wir die ersten zwei Monate von ihrer Verbannung nicht miterleben. Hier hat mir die Charakterentwicklung etwas gefehlt, denn so kam der Bruch von der sorgenfreien Shiori zu ihrem neuen Ich hart. Im Laufe der Geschichte wird die Figur aber so gut und plausibel weiterentwickelt, dass diese fehlende Zeit fast komplett wettgemacht wird.
Lebendige Welt, echte Figuren
Aber nicht nur Shiori ist gut ausgearbeitet. Die Welt, die Elizabeth Lim in Die sechs Kraniche aufbaut, hat mich echt umgehauen. Diese fühlte sich lebendig, mit einer vielschichtigen Gesellschaft und Geheimnissen, die ich gerne Seite für Seite entdeckt und entschlüsselt habe. Auch die in dieser Welt lebenden Figuren sind spannend geschrieben. Es gibt nie absolut böse oder gute Personen. Alle fühlen sich real an, mit Stärken und Schwächen.
Fantasy-Welt auf asiatisch
Für Die sechs Kraniche hat Autorin Elizabeth Lim sich aus der japanischen und chinesischen Folklore und Traditionen bedient. Ganz oberflächlich betrachtet, wird dies schon an den Namen der Figuren deutlich – Shiori etwa ist ein japanischer Vorname. Auch die Kleidung und das Essen, die im Buch vorkommen, sind stark an die japanische oder chinesische Küche bzw. traditionelle Mode angelehnt. Auch, dass Shiori gerne Kraniche aus Papier faltet, ist eine direkte Anspielung auf den echten Mythos, dass, wenn man tausend Kraniche faltet, man sich etwas wünschen kann.
Aber auch westliche Märchen finden sich wieder. Ganz eindeutig ist die Ausgangssituation – die böse Stiefmutter verwandelt ihre Stiefsöhne in Kraniche und verbannt die unkenntlich gemachte Prinzessin – vom Märchen „Die wilden Schwäne“ von Hans Christian Andersen inspiriert.
Fazit
Diese Mischung aus europäischen, chinesischen und japanischen Einflüssen hat Lim zu einer sehr gelungenen Fantasy-Welt zusammengebracht. Diese fühlt sich lebendig an, als wäre die nur eine Flugreise entfernt. Auch die Figuren sind alle sehr gut geschrieben, denn jede ist glaubwürdig und bekommt eine eigene Charakterentwicklung. Vor allem Shiori ist mir richtig ans Herz gewachsen. Ich habe unglaublich gerne gelesen, wie sie die Welt um sich herum wahrnimmt und wie leidenschaftlich und herzlich sie ihrer Umwelt gegenüber ist. Wie sie dafür kämpft, ihre Brüder von dem Fluch zu befreien, ist herzzerreißend und spannend geschrieben.
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