Undercover gegen Missbrauch
So hat sich Tilda ihren Job nicht vorgestellt: Die Medizin-Journalistin wird von ihrem Chef kurzerhand dazu verdonnert, undercover für eine Story über Missbrauch an einer Privatschule die Schulbank zu drücken. Und das nur, weil man ihr ihre 28 Jahre nicht ansieht. Sie soll ihre Kollegin Kim mit Informationen über den übergriffigen Lehrer versorgen, damit diesem das Handwerk gelegt werden kann. Schon am ersten Schultag wird klar, dass der Lehrer eine miese Nummer abzieht. Er schikaniert seine Schülerinnen und Schüler und hat es besonders auf die Neue, Tilda, abgesehen. Als Tilda denkt, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, muss sie feststellen, dass ihr neuer Sportlehrer ausgerechnet Mats ist, den sie vor ein paar Tagen gedatet hat und der sich als Liebe ihres Lebens herausstellte. Mats ist entsetzt, dass er mit einer Schülerin geschlafen hat und wirft ihr vor, ihn angelogen zu haben. Tilda kann ihm, solange sie Fakten sammelt, nicht in ihr Geheimnis einweihen. Und das, obwohl sie fürchten muss, dass sich Mats von ihr abwendet.
Temporeich und mit Witz
Die Autorin L. Ochrasy legt mit Two Faces einen temporeichen Roman vor, der trotz des schwierigen Themas „Missbrauch“ mit einer guten Portion Humor gespickt ist. Süffig erzählt die Autorin die Geschichte einer Journalistin, die undercover recherchiert – auch wenn sie dabei recht stark an Grenzen stößt. Dies insbesondere in der Person von Tilda, die sich zehn Jahre jünger machen muss und sich von den Teenagern trotz ihrer Lebenserfahrung nicht auffallen soll. Doch lohnt es sich, ganz einfach über solche Stolpersteine hinwegzusehen, denn der Roman als solches ist spannend und überzeugend erzählt. Mit beeindruckender Leichtigkeit mischt die Autorin die jugendliche Leichtigkeit mit ernsthaften Themen. Es ist dabei nicht nur der Missbrauch und die Gewalt durch den Lehrer, das zur Sprache kommen. Auch in Tildas Lebensgeschichte gibt es ein paar dunkle Punkte, die angesprochen, wenn auch nicht vertieft werden – unter anderem den Umgang mit Schuldgefühlen und unverarbeiteten Verlust.
Sich gegen Übergriffe wehren
L. Ochrasy stellt die Situation der Schülerinnen und Schüler eindrücklich und vor allem nachvollziehbar dar. Nicht nur, dass sie eine schlüssige Begründung für deren Schweigen vorlegt, sie kann sich auch gut in die Denkweise von Teenagern einfügen und macht den Druck sichtbar, unter dem die jungen Menschen stehen. Damit holt sie die Leserinnen und Leser – da können durchaus auch Erwachsene dazu zählen – ab und nimmt sie mit auf eine teils leichte, teils bedrückende Reise. Viele Details, etwa einige Szenen der turbulenten Klassenfahrt, dürften beim einen oder anderen eigene Erinnerungen wecken und sogar etwas Wehmut aufkommen lassen. Andere Szenen hingegen haben das Potenzial, Gefühle wie Wut und Ohnmacht heraufzubeschwören. Hier gilt auch, die Triggerwarnung ernst zu nehmen.
Fazit
Two Faces ist trotz des ernsten Themenkomplexes eine unterhaltsame Lektüre, die über einen soliden Spannungsbogen verfügt. Obwohl sich das eine oder andere Klischee eingeschlichen hat, kommt niemals der Eindruck auf, hier wäre über die Stränge geschlagen worden.
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