Schweigender Austausch
Endlich! In Josefines Klasse gibt es ein neues Mädchen: Hanna. Sie sitzt direkt neben Josefine, die sich so sehr nach einer Freundin sehnt. Aber Hanna scheint absolut unnahbar. Sämtliche Versuche Josefines, einen Kontakt entstehen zu lassen, scheinen an der «Neuen» abzuprallen. Hanna strahlt Distanz aus und versucht, sich jeder Annäherung zu entziehen. Als Josefine bei einem Einkauf zufällig darauf stößt, dass Hanna in diesem Geschäft gerade vom Filialleiter des Diebstahls bezichtigt wird, scheint sich in der seltsamen Konstellation etwas zu verändern. Zwischen den beiden Mädchen entsteht eine ganz spezielle Freundschaft, auch wenn Josefine ahnt, dass mit Hanna etwas nicht so ist, wie es sein sollte.
Poetische Sätze kontra Nähe
Mit ihrer poetischen Sprache stellt Autorin Susan Kreller zunächst recht hohe Anforderungen vor allem an diejenigen Leserinnen und Leser, die sonst eher turbulente Geschichten bevorzugen. Hanna und Josefine nähern sich nicht nur im sehr verhaltenen Tempo an, sie benutzen auch eine oft nonverbale Kommunikation, was das Publikum etwas außen vor lässt. Die Geschichte wird einzig aus Josefines Perspektive erzählt, was sie etwas eindimensional macht, gleichzeitig aber das Publikum zum Rätseln über den wahren Hintergrund der schweigsamen Hanna einlädt. Allerdings geht der poetische Ansatz zu Lasten der persönlichen Nähe zu den Figuren. Während Erzählerin Josefine noch eine gewisse Lebhaftigkeit zeigt, bleibt Hanna auch gegenüber den Leserinnen und Lesern distanziert und grenzt sich als Figur ab. So wird es letztlich schwierig, den Charakter tatsächlich zu erfassen und sich ganz auf ihn einzulassen.
Stille Geschichte mit wenig Handlung
Nachdem man sich erst mal auf den poetischen Erzählstil der Autorin eingelassen hat, erlebt man eine stille, in sich ruhende Geschichte über eine aufkeimende Freundschaft zwischen zwei einsamen Mädchen. Was man allerdings nicht erlebt, ist eine abwechslungsreiche Handlung, die Überraschungen bereithält. Zwar lässt sich bis fast zum Ende nicht genau abschätzen, was denn nun Hanna tatsächlich umtreibt und sie zu einem solch zurückhaltenden Wesen macht, doch die große Überraschung oder auch nur eine markante Wendung bleiben aus. Dessen sollten sich die potenziellen Leserinnen und Leser bewusst machen, bevor sie zu diesem Buch greifen, sonst könnte sich schnell Langeweile oder Frust breit machen. Wer in der Lage ist, sich ganz und gar auf die streckenweise nonverbale Kommunikation zwischen den Mädchen einzulassen, wird allerdings eine ganz besondere Geschichte für sich entdecken, die viel Spielraum für eigene Empfindungen lässt.
Fazit
Hannas Regen ist ein feinfühliges, poetisches Buch, das sich eher an eine Leserschaft richtet, die nach den stillen Momenten suchen. Für sie ist es eine kleine Perle unter den Jugendbüchern. Freunde einer lebendigen Unterhaltung mit vielen Verwicklungen und Überraschungsmomenten bleiben aber eher auf der Strecke.
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