Es geschah in einer arabischen Nacht …
Agrabah, blühende Perle des Ostens: Während der Sultan sich hinter den Mauern seines protzigen Palastes verschanzt und mit seinen Spielzeugen beschäftigt, leidet das einfache Volk in den Straßen Hunger. Dort hausen die „Straßenratten“, ein Netzwerk findiger Diebe, die gelernt haben, zu überleben. Auch Waisenjunge Aladdin schlägt sich hier schon fast sein ganzes Leben lang durch. Seine Freunde Morgana und Duban hat er schon lange nicht mehr gesehen, zur Seite steht ihm bloß sein treues Äffchen Abu. Aladdin stiehlt nur so viel wie nötig und vergisst nie diejenigen, denen es noch schlechter geht als ihm selbst. Er ist davon überzeugt, dass mehr in ihm steckt, als andere in ihm sehen wollen. Vielleicht erhält er bald Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen:
Eines aufregenden Tages lernt er eine umwerfende, hochintelligente junge Frau kennen, die die Situation in den Straßen schnell versteht und so wie er gerne etwas daran ändern würde. Dass es sich dabei um Prinzessin Jasmin handelt, die ihrem langweiligen Leben im Palast – und der Aussicht auf eine arrangierte Ehe – entfliehen wollte, kann er zunächst nicht wissen. Kurz darauf wird er jedoch in ein noch größeres Komplott verstrickt: Der machthungrige Großwesir Dschafar benutzt Aladdin, um für ihn die Wunderlampe zu stehlen. Wer daran reibt, dem erfüllt der in ihr hausende Dschinn 3 Wünsche. Leider gelingt es Aladdin nicht, dem Wesir die Lampe abzuluchsen und Schlimmeres zu verhindern! Und so schwingt sich Dschafar zunächst zum Sultan und – mithilfe seines 2. Wunsches – zum mächtigsten Zauberer der Welt auf.
Zunächst zieht Dschafar die Bewohner Agrabahs auf seine Seite, indem er Gold vom Himmel regnen lässt. Doch die daraufhin eintretende Inflation bringt die Stimmung schnell wieder zum Kippen. Also muss er sich das Volk mit anderen Mitteln gefügig machen: Schon bald stehen Drangsalierung, Folter und Hinrichtungen auf der Tagesordnung. Und im Verborgenen schmiedet Dschafar noch finsterere Pläne: Er möchte die Gesetze der Magie brechen! Es braucht eine Revolution. Doch können Aladdin und Jasmin Mittel und Wege finden, die Schreckensherrschaft des größenwahnsinnigen Magiers zu beenden? Immerhin hat dieser nach wie vor einen Wunsch frei …
„Wahre Macht ist nicht der Wille des Volkes. Allein Magie kann ein kaputtes, korruptes System verändern. Magie ist die einzig wahre Macht auf der Welt.“
Die Buchreihe „Twisted Tales“, in welcher Alternativgeschichten zu berühmten Disneyklassikern erdacht werden, wird immer weiter ausgebaut. Liz Braswell durfte bereits andere Teile der Serie entwerfen. In Leuchtende Wunderwelt (die deutschen Titel sind leider sehr nichtssagend; dafür gelingt die Covergestaltung meist sehr formschön) erzählt sie eine düstere Parallelversion zu Aladdin von 1992, in welcher der Titelheld nie in den Besitz der Wunderlampe kommt, sondern stattdessen von Anfang an der schurkische Dschafar – eigentlich gutes Potenzial für eine spannende Geschichte.
„Straßenratten sorgen füreinander“
Vieles gelingt Braswell auch recht gut: Die Stadt Agrabah und die umgebende Welt wird knapp, aber atmosphärisch beschrieben, und es kommen sozialkritische Aspekte hinzu, die gut mit dem Originalfilm harmonieren: Ein Sultan, der sich wie ein Kind mit Spielsachen bespaßt, anstatt das Leben für die Bewohner seines Reiches gerechter zu gestalten, wird zurecht kritisiert. Auch sind die Hauptfiguren liebevoll gezeichnet: Aladdins Porträt als junger Mann, der immer für sich selbst sorgen musste, aber das Herz stets am rechten Fleck trägt – eben ein „ungeschliffener Diamant“ – wird mit einer Hintergrundgeschichte unterfüttert, die sich stimmig in die Story einfügt, und auch Jasmins Ausbau zu einer sich der sie umgebenden Missstände sehr bewussten, engagierten zukünftigen Sultanin funktioniert.
Leider verheddert sich Braswell in ihren Ideen und führt diese nicht konsequent zusammen. Die Handlung nimmt eine Wendung nach der anderen, bis es der Details einfach zu viel wird. Der eigentliche Plot ist dafür recht dünn, wirkt erzwungen und setzt auf reine Action. Auch sind die Dialoge manchmal zu flapsig und modern geraten, was in der Übersetzung leider nicht besser geworden ist. Besonders Bösewicht Dschafar gerät eher flach. So hinterlässt das Buch insgesamt einen unausgegorenen Eindruck – was schade ist, denn die Welt von Aladdin hätte genug hergegeben, um die Schwachstellen zu kitten. Immerhin muss man Braswell zugutehalten, dass sie mit ihren Kernideen über Gemeinschaftssinn einen schönen Aufhänger für ihre Geschichte findet. Außerdem weiß sie den Umstand zu nutzen, hier ein Buch für eine (etwas) ältere Zielgruppe zu schreiben: Manche Szenen sind wirklich brutal und unheimlich geraten und verleihen dem Plot so zumindest eine willkommene Dramatik.
Fazit
Leuchtende Wunderwelt zählt leider nicht zu den Highlights der „Twisted Tales“ und bietet trotz vieler guter Ansätze nur ein seichtes Fantasy/Action-Adventure, das besser durchdacht hätte werden können. Aber für kurzweilige Leseunterhaltung im erweiterten Disney-Universum reicht es.
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