Sofies Welt oder die Geschichte der Philosophie

Die Teenagerin Sofie Amundsen leidet unter dem Tod ihres Vaters. Davon ab jedoch ist sie ein weltoffenes, lebenslustiges und neugieriges Mädchen, die die Welt gerne ein Stückchen besser hinterlassen will, als sie sie vorgefunden hat. Doch wird ihr Alltag auf den Kopf gestellt, als sie mysteriöse Briefe von einem anonymen, selbsternannten „Philosophen“ erhält. Diese Briefe geben sich aus als „Philosophie-Kurs“ und vermitteln ihr die Grundlagen der Philosophie. Je mehr Sofie sich in diesen Briefen verliert, desto mehr wird sie in die Welt der Vergangenheit hineingezogen, lernt die großen Denker persönlich kennen, unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte. Doch kann sie damit die Fragen danach, wer sie ist und sein will, wirklich beantworten? Was möchte ihr der Philosoph, der sich ihr schließlich als „Alberto“ vorstellt, wirklich von ihr? Und wer ist diese mysteriöse blonde Frau namens Hilde, die ihr immer wieder begegnet ..?

„Erkenne dich selbst, dann erhältst du Antwort auf deine Fragen!“

Was ist der Sinn des Lebens? Wie ist die Welt beschaffen? Wie entsteht Erkenntnis? Wer sind wir und was wollen wir wirklich? Universelle Fragen wie diese stellen sich Leute schon seit Menschengedenken. Es sind die Grundpfeiler der Philosophie, der Mutter aller Wissenschaften, welche stets nach mehr Weisheit strebt und alles hinterfragt, um Licht ins Dunkel zu bringen. Fragen wie diese zeichnen die großen Denker und Pioniere der Geschichte aus, und deren Weg nachzuverfolgen ist abenteuerlich, spannend und lehrreich zugleich. Also entschied sich der norwegische Schriftsteller Jostein Gaarder 1991, auf Grundlage dessen einen Roman zu schreiben, der Kindern diesen Weg näherbringen und sie zum tieferen Nachdenken über sich selbst und ihren Platz in der Welt anregen soll. Sofies Welt avancierte seitdem zum internationalen und bereits verfilmten Bestseller, der Gaarder und seine Ehefrau sogar dazu inspirierte, den „Sophie-Preis“ für Umwelt und Entwicklung ins Leben zu rufen. Die französischen Comickünstler Vincent Zabus und Nicoby erhielten nun das Privileg, diesen Roman als Graphic Novel frei zu adaptieren und somit einer neuen Generation näherzubringen.

„Als Philosophin musst du vor allem eins können: staunen!“

Inhaltlich ist Sofies Welt unschlagbar, denn er dampft die Geschichte der Philosophie von ihren Urvätern, den großen griechischen Philosophen der Antike wie Sokrates, Aristoteles, Platon oder Diogenes, über das Mittelalter bis hinein in die Renaissance auf kindgerechte Art und Weise ein und vermittelt dabei in Kurzform auch die wichtigsten kulturgeschichtlichen Zusammenhänge. Immer wieder wird dabei die Frage aufgeworfen, was die Menschen zur Suche nach mehr Wissen und Verständnis motivierte, die Verknüpfungspunkte zwischen Religion, Geschichten und Mythen bzw. kulturellen und sozialen Entwicklungsströmungen aufgezeigt sowie deutlich gemacht, dass gewisse metaphysische Ideen – wenn diese auch in stets unterschiedlichen Formen wiederkehren – feste Konstanten im Denken der Menschen darstellen. Das ist durchaus sehr anspruchsvoll, aber auch spannend, unterhaltsam und anschaulich für Kinder und Jugendliche vermittelt.

Besonders gut ist es den Künstlern gelungen, die Story ins Hier und Jetzt zu transportieren, ohne dass das Update zu gewollt erscheint. Sofie (deren Nachname Amundsen sicher nicht zufällig auf den berühmten norwegischen Entdecker verweist) ist eine selbstbewusste Klimaaktivistin, welche die Leitgedanken ihrer Generation (z.B. den Feminismus) mit beinahe blauäugigem Pragmatismus vertritt. Dies mag dem einen oder anderen sauer aufstoßen, ist aber so liebevoll präsentiert, dass die Figur gerade für eine junge Leserschaft viel Projektionsfläche bietet. Außerdem positioniert es Sofie als eine Person, die über sich selbst, über die Welt und darüber, was ein „gutes Leben“ bedeutet, differenziert nachdenken kann und will und sich dem Determinismus entgegenstellt, indem sie ihr eigenes Schicksal in die Hand nimmt. Der bunte, simple Stil, der ein wenig an Tim & Struppi erinnert, fügt das notwendige Maß an Humor und Leichtigkeit hinzu. Je mehr es Sofie in diese vergangene Welt der Philosophie hineinzieht, desto einfallsreicher und verspielter verweisen die Bilder darauf, dass sie selbst eine erfundene und gezeichnete Figur in einem Comicbuch ist – eine Metaebene, die sich nahtlos in den Plot einfügt und das Projekt, junge Menschen zum Nachdenken zu animieren, noch zusätzlich unterstreicht. Etwas überrumpelt ist man dann am Schluss, als Sofie kurz nach dem Barock-Zeitalter die Handlung einfach anhält und bekanntgibt, dass sie sich den 2. Teil Zeit nehmen wird, die Geheimnisse dieser Story weiter zu lüften – um zu erfahren, wie das Abenteuer weitergeht, muss man sich also leider bis zum Herbst gedulden, wenn die Fortsetzung erscheinen soll.

Fazit

Sofies Welt in Form einer Graphic Novel ist ein gelungener Versuch, den Weltbestseller denen näherzubringen, die ihn noch nicht kennen (den Verfasser dieser Rezension eingeschlossen). Mit viel Witz und Fantasie wird man hier in die Welt der Philosophie eingeführt und bekommt Lust darauf, sich tiefer mit der Materie zu befassen und selbst zu philosophieren – egal, ob einem das schon vertraut ist oder man all diese Namen und Begrifflichkeiten zum ersten Mal hört. Gespannt darf man also den 2. Teil erwarten, wenn Sofie nicht nur die Denker der Neuzeit entdecken, sondern auch ihr eigenes Abenteuer der (Selbst-)Erkenntnis fortsetzen wird!