Die dunkle Stunde des Jägers
- Thienemann
- Erschienen: September 2022
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übersetzt von Cornelia Panzacchi; Illustrationen von Fabio Visintin; Hardcover, 288 Seiten
ISBN: 9783522202886
Es kommt keine Begeisterung auf
Roqi kann es nicht fassen: Fast sein gesamter Stamm ist tot. Nur seine fünf Freunde haben mit ihm überlebt. Von nun an müssen sie lernen, auf sich gestellt zu überleben. Doch die Nächte sind lang und gefährlich, und tagsüber warten schwere Aufgaben auf sie, die sonst andere für sie erledigt haben. Sie müssen unbedingt einen neuen Stamm finden, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Haben sie das Unglück heraufbeschworen?
„Der Stamm war meine Seele. Und ein Mensch ohne Seele ist nichts mehr. Nur noch eine leere Hülle, die vielleicht herumläuft oder auf die Jagd geht, aber hinter deren Augen Leere herrscht, die sich in nichts von einer zerbrochenen Muschelschale unterscheidet.“
Nordamerika, 12.000 vor Christus: Die grasbewachsenen Ebenen sind endlos und beherbergen eine Fülle an prähistorischen Tieren und Pflanzen. Dies ist das Zuhause von Roqi und seinem Stamm. Jeder hat hier seinen Platz und seine Aufgabe. Obwohl Roqi schon lange kein Kind mehr ist, hat er allerdings noch nicht seine Gabe gefunden, die ihn zu einem Erwachsenen macht. Seine gleichaltrigen Freunde dagegen schon: Da wäre Ama mit der Gabe der Geschichten, Cato mit der Gabe des Steins, Beri mit der Gabe des Feuers und Ocho mit der Gabe der Seile. Roqi fühlt sich von den anderen nicht ernst genommen und will es ihnen beweisen. Daher greift er mit einem Stein einen Blattfresser an und erlegt diesen tatsächlich. Sollte Roqi etwa die Gabe des Tötens besitzen?
Bevor der Stamm dem aber auf den Grund gehen kann, erhält Ama eine Vision in ihrem Kopf: Der Stamm ist auf der Flucht, denn ein großes Feuer bricht aus. Nur mit Mühe und Not können sich die Freundin und Amas kleine Schwester Hona retten. Doch alle anderen Mitglieder des Stamms kommen im Feuer um. Von nun an ist die Gruppe auf sich allein gestellt. Sie müssen unbedingt Nahrung finden. Am wichtigsten ist jedoch ein neuer Stamm, denn nur dieser bietet Schutz und eine Zukunft. Der Weg dahin ist beschwerlich und voller Gefahren. Doch auch als sie endlich einen finden, holt sie das Unglück ein. Wie sollen die Freunde nur darauf reagieren? Schafft es Roqi zudem, endlich als vollwertiger Erwachsener akzeptiert zu werden?
Durch eine prähistorische Zeit
Im Nachwort beschreibt Davide Morosinotto, dass er die Geschichte ohne vorherigen Entwurf geschrieben hat, weshalb die Entwicklung auch für ihn eine Überraschung war. Hätte er doch mehr auf Planung gesetzt! Es bricht mir das Herz, so eine Bewertung zu schreiben, da der Autor ein Ausnahmetalent ist. Doch mit diesem Buch konnte er überhaupt nicht überzeugen. Das Wort „langweilig“ wird man in meinen Rezensionen vergeblich finden, doch hier ist es angebracht. Es passiert nicht wirklich viel, und wenn etwas passiert, dann sind es nur kleine Lichtblicke in einer ansonsten sehr konturlosen Geschichte. Es wird viel gegrübelt und diskutiert, und bleibt auch danach noch sehr uneinig; man erfährt zudem viel über die Umgebung und die Nahrungssuche, ohne wirklich dazuzulernen. Auch die Protagonisten sind farblos, allen voran ist Roqi sehr mäßig gestrickt und naiv. Es wirkt, als hätte der Autor diese frühzeitlichen Menschen absichtlich sehr einfach gezeichnet. Das wäre grundlegend in Ordnung, aber so richtig will das nicht ins Gesamtbild passen.
Andererseits hat er sich interessante Gedanken über diese prähistorische Zeit gemacht, indem beispielsweise Pflanzen und Tiere neue Eigennamen bekommen haben, oder sich die Gedankenwelt der vorzeitlichen Menschen ganz an ihre Umgebung angepasst hat. Hier hätte der Autor viel mehr geben müssen, um die Geschichte rund zu machen. Etwas Abwechslung hat Fabio Visintin mit seinen schwarzweißen Illustrationen geboten, die zwar spärlich vorhanden sind, dafür aber auf einer Doppelseite einen schönen Eindruck über das prähistorische Leben liefern.
Fazit
Leider keine gute Leistung eines eigentlich herausragenden Autors. Hoffentlich war dies nur ein Ausrutscher. Denn dass Davide Morosinotto so viel mehr kann, hat er bereits mehrfach bewiesen.
Davide Morosinotto, Thienemann
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