Eine laue Zukunftsvision
Kaia hat ihre ganze Familie verloren und wohnt nun in der letzten Stadt, die sich den Menschen erwehrt, die ein Virus zu rasenden Bestien werden lässt. Obwohl in Sicherheit, fühlt Kaia die Last ihrer Existenz. Nur ihr Wolf Storm und ihr bester Freund Adam halten sie davon ab, etwas Dummes zu tun. Als sie für eine Mission nach draußen geschickt wird, offenbart sich ihr aber etwas, das sie alles hinterfragen lässt, was man ihr zuvor weismachen wollte ...
„Die Menschen wollten mal zu den Sternen reisen und haben dabei die Welt vergessen, auf der sie leben.“
Die Menschheit steht am Abgrund: Im Jahr 2069 bleiben nur noch wenige Menschen übrig, die anderen wurden durch ein schreckliches Virus dahingerafft oder in tödliche Monster verwandelt. Nur in Kalifornien gibt es noch eine Stadt, die sich gegen das sichere Ende wehrt. Hohe Mauern und ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem halten die Bestien draußen, und die Menschen im Inneren fristen ein ärmliches Dasein voller Entbehrungen. Dennoch wollen alle hierhin, um zumindest in Sicherheit leben zu können.
Auch Kaia und ihre Familie zieht es dorthin. Doch bevor sie die Stadt erreichen, werden sie angegriffen. Kaias Eltern und Schwester sterben, sie kann sich in einem Erdbau verstecken, wo sie sich an einem einsamen Wolfswelpen kuschelt. So wird sie von einem Mann aus der Stadt gefunden und mit ihrem pelzigen Freund hinter die Mauern gebracht. Entwurzelt und ihrer Familie beraubt, wächst Kaia auf und nimmt schließlich kleinere Missionen in die Außenwelt an – immer beschützt durch ihren Wolf Storm.
Verantwortlich für die Sicherheit der Stadt ist der unerbittliche Goya, der skrupellos, aber konsequent gegen den Virus arbeitet. Denn dieser hat bereits die ganze Menschheit infiziert, woraufhin sich alle Menschen zu einer gewissen Zeit in jene tödlichen Bestien verwandeln, die die Außenwelt unsicher machen. Daher muss jeder innerhalb der Stadtmauern einen Chip tragen, der Alarm gibt, sobald die Verwandlung bevorsteht; daraufhin wird der Infizierte außerhalb der Stadt verfrachtet und exekutiert. Eine solche Hinrichtung soll eines Tages Kaia selbst übernehmen. Doch dabei erfährt sie etwas, das sie alles hinterfragen lässt: Was verschweigt Goya?
Eine nette Dystopie für zwischendurch
Rainer Wekwerth ist ein Garant für gute, spannende Dystopien, die alternative Zukunftsvisionen beschreiben, in denen man sich schnell verliert. Ob Ghostwalker, die Beastmode-Dilogie oder die Pheromon-Trilogie, immer hat man gute Unterhaltung, nach der man zufrieden das Buch zuklappt. Mit seinem neusten Roman Shadow Land stellt sich diese Zufriedenheit nicht ein. Die Geschichte ist halbgar und überhaupt nicht packend; die veränderte Außenwelt soll mystisch-märchenhaft erscheinen, bleibt aber blass und unüberlegt; und Kaia selbst ist eindimensional und geradezu sprunghaft.
Dabei fängt es gut an: Eine Rückblende offenbart Kaias Schicksal und ihre letzten Minuten mit ihrem Vater, bevor die Gruppe Flüchtender angegriffen wird. Dann, in der Gegenwart, ist man mittendrin im Leben Kaias und erfährt, wie sie dieses in der Stadt beschreitet. Dass es dort trostlos ist, wird schnell klar, und gerade diese Beschreibungen sind spannend und geheimnisvoll zugleich – schließlich weiß man noch nicht viel von dem Virus und was er mit den Menschen angestellt hat. Leider spielt aber der Großteil des Buches außerhalb der Stadt, weil Kaia schließlich in die Wildnis fliehen muss.
Und ab hier wird es zu abgefahren: Denn der Virus agiert anders, als Kaia und die anderen Menschen der Stadt gedacht haben. Auch die Natur verändert sich und bringt merkwürdige Lebewesen hervor. Die Erklärungen dazu sind krude: Einerseits wird anfangs von Schöpfung gesprochen, dann schleicht sich ein evolutiver Mechanismus rein, den der Virus ausgelöst hat. Wie dieser aber funktioniert, weiß keiner so richtig, und so bleibt der Autor den Leserinnen und Lesern auch jedwede Erklärung schuldig.
Dazu gesellt sich schließlich eine sehr schnelle, unnötige Liebesgeschichte, die Kaia noch unsympathischer macht, aber auch einfach zu viel Platz in der Gesamtkomposition einnimmt. Irgendwann hat der Handlungsverlauf einfach nur genervt und man wünscht sich den Anfang zurück, als man noch hinter das düstere Leben innerhalb der Stadtmauern zu kommen versucht hat.
Fazit
Anfangs fühlt man noch den Sog, für den Rainer Wekwerth bekannt ist. Aber dann schlägt seine Geschichte eine Richtung ein, die trotz einiger Wendungen nur noch ein laues Lüftchen zustande bringt.
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