Ergreifend und erschütternd
Seit 2011 wütet in Syrien ein Bürgerkrieg. Unterschiedliche militante Gruppen beherrschen verschiedene Teile des Landes und die Bevölkerung stirbt unter dem anhaltenden Terror oder versucht zu fliehen.
Die 18-jährige Salama lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Layla in Homs. Die Stadt ist in der Hand der Freien Syrischen Armee, die für die Befreiung vom Assad-Regime kämpft. Ständig wird die Stadt von Regierungstruppen bombardiert und Scharfschützen machen jeden Aufenthalt im Freien zu einer Lotterie um Leben und Tod.
Vor der Revolution waren die beiden jungen Frauen lebenslustig und voller Träume und Pläne für die Zukunft. Jetzt ist der Rest der Familie verhaftet oder tot.
„Wir kämpfen, solange wir am Leben sind, Salama. Weil dies unser Land ist. Es ist das Land unserer Väter und Vorväter. Deine Geschichte ist eingeschrieben in diese Erde. Kein Land wird dich jemals so lieben wie dein Heimatland. Wir kämpfen für ein Leben, nicht fürs bloße Überleben.”
Salama versucht im Krankenhaus Leben zu retten. Als Pharmaziestudentin im ersten Studienjahr ist sie aus Not zur Ärztin für alles geworden und muss jeden Tag Schusswunden, Opfer von Bombenangriffen, Verhungernde und Verdurstende versorgen.
Der Tod ihrer Familie, die quälenden Erinnerungen und das tägliche Erleben von Gewalt, schlimmen Verletzungen und das Sterben ihrer jungen und alten Patienten und Patientinnen haben tiefe Narben in ihrer Psyche hinterlassen. Layla, die schwanger ist, drängt auf Flucht nach Europa.
Doch Salamas Arbeit im Krankenhaus ist wichtig und helfende Hände kaum noch vorhanden und die Flucht ist gefährlich und teuer. Dann trifft sie auch noch auf Kenan, einen jungen Mann, der ihr Herz zum Leben erweckt und ihr Augenblicke jenseits von Krieg und Gewalt schenkt.
Eine Flucht wird immer dringender, vor allem als Salama die Augen vor ihrer verdrängten Realität nicht mehr verschließen kann.
Ein kleiner Einblick in eine tödliche Realität
Seit mittlerweile über 10 Jahren herrscht in Syrien offener Krieg gegen die Bevölkerung und mehr als 5 Millionen Menschen sind auf dem Landweg oder über das Mittelmeer aus ihrer Heimat geflüchtet.
Die Autorin Zoulfa Katouh ist syrisch-stämmige Kanadierin und genauso wie ihre Protagonistin Salama Pharmaziestudentin. Um einen Eindruck vom Leben und Sterben in Syrien zu geben hat sie dieses Jugendbuch geschrieben.
Die Protagonisten sind junge Erwachsene, deren Leben in Gewalt und Verlust ertränkt wurde, als eigentlich ihre Zukunft beginnen sollte. Sie sind moderne Heranwachsende, die die Welt kennenlernen, gutes Essen und die Liebe genießen wollten, als die Revolution begann. Ihre neue Realität ist unerträglich: Familienmitglieder werden verschleppt und getötet, Nahrungsmittel werden knapp, ganze Straßenzüge bombardiert, Krankenhäusern fehlt es an Ärzten und Medikamenten und der Tod ist allgegenwärtig.
Natürlich lockt da der Gedanke an Flucht. Aber man weiß auch um die Gefahr von Schleppern, Raub und Tod. Außerdem ist da auch die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation. Darauf, dass eine Freiheit im eigenen Land, in der Heimat, möglich ist. Zusätzlich hat Salama eine Verantwortung für ihre Patienten. Wer kümmert sich um sie, wenn auch Salama einfach flüchtet - und aufgibt?
Die Autorin schreibt sehr realistisch. Hier überleben keine Kinder wie durch ein Wunder und die Opfer von Bomben und Scharfschützen sind zahlreich. Auch die Angst Salamas um ihren inhaftierten und gefolterten Bruder ist greifbar geschildert.
Und doch leuchten immer wieder die Poesie, die Verliebtheit und die Hoffnung durch. Salamas und Laylas Liebe zu Büchern und zur Kunst, Kenans Liebe zu Filmen und seinen Geschwistern. Die Begeisterung in Bezug auf ihre Leidenschaft zu Geschichten und der Schönheit eines friedvollen Lebens stehen im krassen Gegensatz zum Leben in einer bombardierten Stadt.
Die Erinnerungen an die Vergangenheit, an Feste und Erlebnisse mit den geliebten Eltern und Geschwistern zeigen den grausamen Verlust, spenden aber auch Trost und schaffen eine emotionale Verbindung zum Lesenden.
Die Flucht ist die letzte Möglichkeit zu leben, aber auch keine Garantie, sogar behaftet mit einer großen Unwahrscheinlichkeit. Dieses Buch macht mehr als deutlich, wovor all die Flüchtlinge, die ihre Heimat verlassen haben, geflüchtet sind und welche Hürden sie gemeistert haben.
Fazit
All die Farben, die ich dir versprach schildert sehr realistisch und dramatisch die Gewalt und die Angst in einem kriegerischen Konflikt. Es ist ein bedeutsamer Beitrag zur aktuellen politischen Lage in Deutschland und vielen Teilen der Welt, und kann ein Bewusstsein für die Erlebnisse so vieler Flüchtender schärfen.
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