Blindfisch

  • Oetinger
  • Erschienen: Juli 2022
  • 0

Hardcover, 240 Seiten

ISBN: 9783751202602

Blindfisch
Blindfisch
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Sabine Bongenberg
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJan 2023

Da bleibt die Leichtigkeit ein wenig auf der Strecke

Lon hat ein großes Geheimnis. Neben den kleinen Geheimnissen – nämlich dem, dass der neue Damian aus seiner Klasse irgendwie richtig spannend, dagegen Tina in letzter Zeit irgendwie eigenartig ist – gibt es noch DAS große Geheimnis. Lon leidet nämlich am Usher-Syndrom und das wird irgendwann zur Erblindung und auch noch zum Verlust des Hörens führen. Das ist bis jetzt noch nicht eingetreten, aber die ersten Einschränkungen, die sind schon da. Dazu gibt es aber ein großes Problem: Denn auch wenn Lon und die behandelnden Ärzte Bescheid wissen – alle anderen haben noch keine Ahnung. Die Eltern wissen also nichts und erst recht nicht die Klassenkameraden und die Freunde. Lon möchte noch ein wenig normal bleiben und alle Gedanken an eine zukünftige Behinderung ganz weit weg halten. Die Frage ist aber – wie lässt sich das noch lange verbergen?

Sei, wer du sein willst, und liebe, wen du willst

Karen-Susan Fessel führt ihre Leser zusammen mit Lon in die neue Ära des Jugendbuches. Selbst bei ganz genauem Lesen lässt sich nicht feststellen, ob Lon ein Junge oder ein Mädchen ist. Da er/sie als Ich-Erzähler*in auftritt, lässt sich das in dem Buch auch ganz gut verbergen, da es mich aber zunehmend nervt von „er/sie“ zu sprechen, ordne ich Lon einmal dem „er“ zu und bitte, das zu entschuldigen. Ich gebe es auch zu – mich hat diese Nichtzuordnung irritiert, denn ich habe es in einem Roman schon ganz gerne, wenn ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Andererseits hat die Autorin mit dieser Nichtfestlegung die letztendliche Gleichbehandlung erreicht, ist es doch egal ob Lon Mann oder Frau, hetero- oder homosexuell ist.

Lon hat grundsätzlich seine Alltagsprobleme und da ist es eigentlich schon schwer genug, dass er mit dem neuen Partner seiner Mutter nicht so recht klarkommt. Der Leser erfährt aber auch bald von seinen großen Problemen und das ging mir irgendwie nicht so recht in den Kopf: Da ist ein 16jähriger, der schon ein Hörgerät trägt und der geht alleine zum Arzt und wird da immer allein gelassen? Irgendwie konnte sich das mir nicht so recht erschließen, wie er es tatsächlich schafft, seine Krankheit geheim zu halten. Klar und gut nachvollziehbar war aber sein Wunsch, so lange wie es nur irgendwie geht, als „Normalo“ zu gelten. Lon selbst bezeichnet das als „Gnadenfrist“, als eine Zeit, die ihn noch vor dem Mitleid anderer Menschen schützt, eine begrenzte Zeit, in der er noch alleinverantwortlich entscheiden kann.

„Sie werden es früh genug erfahren. Alle. Jeder wird es sehen. Und wissen. Und das für den Rest meines Lebens. Eine Gnadenfrist, das ist es, was ich will. Noch eine Zeit lang normal sein. Noch zu den anderen gehören, sein wie sie.“

Mir gelang es aber dennoch nicht, mit dem Buch so richtig „warm“ zu werden. Für mich drehte sich vieles zu sehr im Kreis. Immer wieder traten dieselben Probleme auf: Lon will nicht über die zunehmende Verschlechterung seiner Augen sprechen und reitet sich damit in massive, sich wiederholende Schwierigkeiten. Irgendwann war das für mich zu wenig Entwicklung und daran konnte dann auch die Auflösung nichts mehr ändern. Für meinen Geschmack hat die Autorin auch einfach ein bisschen zu viel gewollt: Der Roman handelt von Freundschaft, sexueller Identität, von einer fortschreitenden Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen und dennoch soll alles neutral und auf alle zugeschnitten sein. In der Kombination konnte mich das nicht so recht überzeugen, aus jugendlicher Leichtigkeit wurde irgendwann Schwere. Mir gefiel auch nicht, dass Lons Klassenkameraden offensichtlich auch einige Probleme mit sich herumtragen – die aber hier gar nicht erklärt oder aufgelöst wurden. Diese Darstellung war mir ein wenig zu einseitig 

Fazit

Lon, 16 Jahre alt, spricht über seine Ängste angesichts einer fortschreitenden schweren Erkrankung und wie er dennoch ein „normaler“ Teenager sein und bleiben möchte. Das allein wäre schon überzeugend – die ganzen stilistischen Mittel mit Blick auf sexuelle Identität oder auf deren Wertung wären – zumindest für meinen Geschmack – nicht nötig gewesen, um eine gut erzählte Geschichte auszumachen.

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