Die Geschichte hinter dem Brettspiel-Klassiker
Selbst diejenigen, die es vielleicht noch nicht gespielt haben, könnten bereits davon gehört haben: „CATAN“ - ein Klassiker unter den Brettspielen. Mittlerweile gibt es nicht nur diverse Erweiterungen für das Spiel selbst, sondern auch digitale App-Versionen sowie internationale Turniere und Meisterschaften für eingefleischte Fans. Eigentlich ist es da nur ein logischer Schritt, dass mit dem neuen Roman ein weiterer Baustein im CATAN-Kosmos erscheint. Der Erfinder des Spiels Klaus Teuber ist auch hier in die Rolle des Autors geschlüpft und erzählt die Geschichte hinter den Siedlungen, Straßen und Rohstoffkarten.
Wir befinden uns im Norwegen („Nordland“) des Jahres 860 n. Chr. und begleiten die drei Brüder Thorolf, Yngvi und Digur sowie die Töchter des Wikingerfürsten Halldor, Asla und Stina, auf ihrer Flucht. Asla und Thorolf sind ineinander verliebt, jedoch wäre diese Verbindung in den Augen Halldors nicht akzeptabel. Hat er seine Tochter doch bereits jemand anderem versprochen, um seine Macht zu sichern. Die Geflüchteten müssen sich in Acht nehmen vor ihren Verfolgern, die die Töchter Halldors rächen wollen. Da kommt ihnen die Begegnung mit Egil, einem erfolgreichen Kauffahrer und Sklavenhändler, wie ein Segen vor. Denn dieser berichtet Thorolf und den anderen von einer fernen Insel, Catan, einem Land der Hoffnung. Der Plan steht schnell fest: Gemeinsam mit anderen Siedlern wollen sie sich dort eine neue Zukunft aufbauen.
Leserinnen und Leser, die schon geübt im Umgang mit historischen Romanen sind, werden sich zügig an den etwas hölzern oder distanziert wirkenden Schreibstil gewöhnen. Die Sprache und Konversation untereinander wurden der Zeit natürlich entsprechend nachgeahmt. Einmal eingelesen erscheinen die fast 600 Seiten jedoch nicht mehr ganz so erdrückend, wobei ein bisschen Ausdauer hier natürlich gefragt ist.
Zwar sind Thorolf, Yngvi, Digur, Asla und Stina die zentralen Protagonist*innen, jedoch treten noch so viele Nebenfiguren auf, dass das Namensverzeichnis am Ende hin und wieder ein willkommener Segen ist. Handels- und Liebesbeziehungen untereinander, Machtkämpfe und Dynamiken innerhalb der Gemeinschaft sind der rote Faden der Handlung. Insbesondere der Umgang von Freien mit ihren Unfreien (Sklaven) nimmt einen großen Raum ein. Die Selbstverständlichkeit, mit der Vergewaltigungen und Demütigungen an der Tagesordnung sind, schockiert. Es ist jedoch spannend zu sehen, wie einzelne Charaktere mit der Zeit gesellschaftliche Ordnungen und auch die Rolle der Frau hinterfragen.
Die Insel Catan bedeutet in vielerlei Hinsicht Fortschritt: Es ist beeindruckend zu sehen, wie die Siedler mit wenig Ausrüstung das Land bewirtschaften, Behausungen bauen und sich von jetzt auf gleich selbst versorgen können. Hervorzuheben ist die medizinische Versorgung, derer sich vor allem Asla annimmt. So werden Kinder gesund zur Welt gebracht, Wunden versorgt und sogar Körperteile amputiert. Ein treuer Begleiter ist dabei stets ihr Pioniergeist, die Suche nach etwas Neuem. Nicht selten stehen Erkundungsreisen an Land und zur See an. Und wie auch im Brettspiel geht es natürlich vor allem um Handel: Holz, Getreide, Erz, Töchter oder Sklaven. Es wird mit alles und jedem gehandelt. So können die abtrünnigen Sklaven rund um den Iren Ryan mit einem Erz-Monopol beispielswiese ihre ehemaligen Herren erpressen.
Ein weiterer Motor der Handlung ist das Thema Religion. Thor, Odin und weitere nordische Götter begleiten die Siedler auf ihrer Reise. Und Gregor, ein Kardinal aus Rom, der bei einem der zahlreichen Wikinger-Raubzüge gefangen genommen wurde. Zu Beginn der Geschichte noch recht unscheinbar, wird durch ihn die schleichende Christianisierung der Siedler-Gemeinschaft in Gang gesetzt. Der schon vor der Flucht in lateinischer Schrift ausgebildete Yngvi und Gregor führen nicht selten Gespräche über, im wahrsten Sinne des Wortes, Gott und die Welt. Aus der christlichen Lehre leiten sich für die beiden und andere Fürsprecher auch weitere Fragen ab, die sie unter anderem an dem Recht, Unfreie zu besitzen, zweifeln lassen.
Klaus Teuber schreibt in seinem Nachwort selbst, dass der Demokratie-Gedanke (z.B. die Wahl eines Rates ohne Fürst), der insbesondere im letzten Drittel des Romans aufkommt, vielleicht nicht ganz der historischen Wahrheit entspricht. Aber ist es nicht trotzdem möglich, dass eine so diverse Gruppe an Menschen nicht irgendwann Traditionen hinterfragt und ein gerechteres Miteinander einfordert? Und so kann auch ein historischer Roman, der im Frühmittelalter spielt, zu einer Stimme für mehr Vielfalt und Menschlichkeit im Umgang miteinander werden – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion.
Fazit
Ein absolut empfehlenswerter historischer Roman, nicht nur für CATAN-Fans. Ein zweiter Band ist angekündigt und lässt uns gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte warten.
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