Zwei total unterschiedliche Hälften
Seit dem Tod ihrer Mutter ist Jo entwurzelt. Zusammen mit ihrem Onkel zieht sie von Ort zu Ort, ohne irgendwo Wurzeln schlagen zu können. Jo fiebert dem Moment entgegen, in dem sie volljährig ist und das Nomadenleben hinter sich lassen kann. Die ständigen Ortswechsel führen dazu, dass Jo unnahbar bleibt und niemandem die Gelegenheit gibt, ihr wirklich näher zu kommen. Das ändert sich, als Jo dem geheimnisvollen Evan begegnet. Sie ist von seiner sehr speziellen Ausstrahlung fasziniert. Als sie ihm eines Nachts im Schwimmbad begegnet, entsteht zwischen ihnen eine Art wortlose Verbindung. Evan selbst lebt ebenfalls in einer komplizierten Konstellation – als angenommener Junge muss er sich seinen Platz in einer Familie voller scheiternder Mitglieder behaupten. Einzig mit dem Jüngsten besteht eine enge Bindung. Als es in der Familie zu einem Drama kommt, für das Evan verantwortlich gemacht wird, verschwindet er unvermittelt aus Jos Leben. Erst Jahre später treffen die beiden erneut aufeinander.
Feinfühlig erzählt
Der Einstieg in diesen Roman fällt leicht. Emma Scott hat nicht nur eine versierte Sprache, sie versteht es auch, den handelnden Figuren gleich von Anfang an Konturen zu geben. Feinfühlig baut sie das Kennenlernen zwischen Jo und Evan auf, erklärt mit leisen, aber intensiven Bildern die Geschichte zweier verletzter Jugendlicher, die sich im jeweils anderen erkennen und die eine unerwartete Bindung zueinander haben. Diese Erzählform macht den ersten Teil des Romans zu einem bildstarken Erlebnis, in das man versinken mag. Sowohl Jo, hinter deren schroffen Fassade man schnell die sensible Persönlichkeit erkennt, als auch Evan nehmen die Lesenden mühelos für sich ein und versprechen einen spannenden Plot.
Ein Bruch in der Erzählung
Nachdem man die erste Hälfte des Buches mit dem gradlinigen und gut nachvollziehbaren Plot verwöhnt worden war, scheint es bei der zweiten Hälfte, als habe jemand anders Regie geführt. Dass der Roman auf die Mystik-Ebene wechselt, ist angesichts der Titelung «Dreamcatcher-Duett» zu vermuten. Nicht aber, dass aus dem Plot nahezu die ganze Spannung weicht und die Geschehnisse oft wirr und wenig durchdacht scheinen. Immer mal wieder keimt der Verdacht auf, dass der Roman mittendrin neu ausgerichtet worden ist – sei es nun aufgrund einer sich verändernden Einstellung der Autorin selber zu ihrem Werk oder aber aufgrund von Wünschen seitens des Verlages. Bei den mystischen Elementen wurde die Chance, einen tiefsinnigen und ergreifenden Roman um zwei junge Menschen entstehen zu lassen, definitiv verpasst. Das Werk erweckt den Anschein, dass zwischendurch recht wahllos einige Passagen gekürzt worden sind und deshalb keine runde Geschichte mehr besteht.
Auf den zweiten Teil warten
Möglicherweise wird der zweite Teil der Reihe «Dreamcatcher-Duett» etwas Licht in alles bringen. Allerdings bleibt nach Band eins ein sehr diffuses Gefühl zurück, das eher dagegenspricht, sich auf die Fortsetzung zu fokussieren. Dabei hätte die Basis dieses Romans durchaus viel Potenzial gehabt, sich aus der Masse der Mainstream-Literatur herauszuheben und zum Lieblingsbuch vieler junger Menschen zu avancieren.
Fazit
Mit ihrem Erzähltalent zieht die Autorin Emma Scott schon nach wenigen Sätzen in die Geschichte hinein und versteht es, die Leserschaft zu fesseln. Dass sie im weiteren Verlauf der Geschehnisse dann jedoch etwas den roten Faden verliert, ist sehr bedauerlich.
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