Mut, zu seinen Gefühlen zu stehen
Louise Schäfer wird von ihren Klassenkameradinnen und ehemaligen Freundinnen ausgegrenzt, seit sie bei einer gemeinsamen Übernachtung im Heu ihre beste Freundin küsste und damit offengelegt hat, dass sie auf Mädchen steht. Trost findet Louise einerseits bei den Tieren auf dem Hof ihrer Großeltern, andererseits aber vor allem beim Schreiben einer Fantasy-Geschichte. Als ihr Schreibtalent dazu führt, dass sie für ein Internat an der Nordsee ein Stipendium bekommt, öffnet sich die Türe zu einem neuen Leben. Louise schwört sich, nicht erneut in dieselbe Falle zu tappen und ihre Homosexualität vor den anderen zu verbergen. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn Louise teilt ausgerechnet mit Mika das Zimmer, die Mannschaftskapitänin der Fußballmannschaft ist, die Louise als Torhüterin in ihre Reihe aufnimmt. Je näher sich Louise und Mika kennen lernen, desto schwieriger fällt es den beiden, ihre jeweilige Fassade aufrecht zu halten.
Aktuelles Thema aufgegriffen
Mit der Protagonistin Louise hat die Autorin Alicia Zett eine optimale Figur geschaffen, um die nach wie vor problembehaftete Situation gleichgeschlechtlicher Liebe aufzugreifen. Angesiedelt im ländlichen Milieu ist es durchaus glaubhaft, dass Louise in der Schule plötzlich geschnitten wird und sich dadurch immer stärker in ihre Fantasy-Welt zurückzieht. Ebenso nachvollziehbar ist es, dass Louise sich im neuen Umfeld nicht gleich wieder outen möchte – obwohl sie hier gleich bei ihrem Einzug ins Internat mit einem gleichgeschlechtlichen Paar konfrontiert wird. Da verbirgt sich lediglich ein kleiner Stolperstein, der aber angesichts der komplexen Story durchaus zu verkraften ist. Das Thema der Homosexualität wird zwar gut erläutert, doch bleibt immer ein etwas seltsames Gefühl zurück, das hier doch an sich ausgeräumt werden müsste. Möglicherweise ist das dem Umstand geschuldet, dass die Autorin da und dort dann doch recht tief in die Klischeekiste greift.
Spezielle Charaktere
Schwierig ist es, Louise in ihrem Umfeld einzuordnen. Sie wirkt sehr kindlich, oft recht unbedarft für ihr Alter. Man mag es dem Umstand zuschreiben, dass die Autorin Louise zur Waise gemacht hat, die aber in der liebevollen, wenngleich altertümlichen (erneut ein tiefer Griff in die Klischeekiste) Welt der Großeltern ein recht behütetes Leben führt. Einzig der ältere Bruder vermag Louise eine Verbindung zur Welt der jungen Erwachsenen bieten; er nimmt sie mit zum Fußballspielen mit seinen Kumpels. Hier taucht nun ein weiterer kleiner Bruch in der Geschichte auf: Denn so wie es zunächst den Anschein macht, spielt Louise öfters bei den Jungs mit – im Internat versagt sie dann aber von der Kondition her tüchtig. Und das, obwohl sie neben den sportlichen Momenten mit ihrem Bruder regelmäßig körperliche Arbeit leistet – etwa beim Ausmisten der Ställe. Dass sie dabei die technischen Feinheiten des Fußballs nicht trainieren kann, versteht sich von selber, doch hat dies sehr wohl Einfluss auf die körperliche Fitness.
Während Louise zu unreif für ihr Alter wirkt, ist Mika eine äußerst vielschichtige Figur, mit der man aber nicht ganz so schnell klar kommt. Sie bleibt bis zum Schluss weitgehend unnahbar, und macht es dem Publikum nicht ganz leicht, sie richtig zu mögen.
Fußball statt Literatur
Die Sache mit dem Fußballteam nimmt tatsächlich schnell einen recht großen Platz in der Geschichte ein. Und das, obwohl Louise ja wegen ihres Schreibens ein Stipendium bekommen und hat und nicht aufgrund ihrer sportlichen Fähigkeiten. Die Fantasy-Geschichte wird zwar in kleinen Einsprengseln hin und wieder weitergesponnen, dient aber mehr dazu, das ganze Spektrum der Gefühlswelt von Louise zu offenbaren, als dass es sich um einen wichtigen Aspekt der Geschichte handeln würde. Hier wird im Laufe des Romans ein Versprechen aufgebaut, das nur in bescheidenem Ausmaß schließlich auch eingehalten wird. Manchmal entsteht so der Eindruck, dass die Story immer mal wieder leicht entgleitet und schließlich durch einen etwas rüden Kunstgriff zurück in die Spur gezwungen wird.
Fazit
Der Roman Wie Wellen im Sturm will sich für die Selbstverständlichkeit gleichgeschlechtlicher Liebe einsetzen, verfehlt das Ziel aber eher, als dass er ins Schwarze trifft. Dennoch lässt sich der Roman leicht und angenehm lesen, wenn man sich auch da und dort eine etwas reifere Sprache wünschen würde.
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