Auch ohne phantastische Elemente wäre die Realität schlimm genug
Die Tat war im Vorfeld schon lange angekündigt worden. Cassie hatte sich mehrfach verzweifelt an die Polizei gewandt und um Hilfe gebeten. Passiert ist nichts - und jetzt ist Cassie tot. Sie wurde erschossen von ihrem Freund Nicholas Bell. Ihre besten Freundinnen Beck und Vivian können es nicht fassen. Aber noch fassungsloser sind sie über die Tatsache, dass die Einwohner der Kleinstadt Bell offensichtlich einfach zur Tagesordnung weiter gehen wollen. Natürlich haben sie "gute" Gründe dafür: Denn der Namensgeber der Stadt war die Waffenfirma Bell. Bei ihr handelt es sich um den größten Arbeitgeber vor Ort und dessen Namensgleichheit mit Cassies Mörder Nicholas ist nicht zufällig, stammt er doch aus der Unternehmerfamilie. Aber kann so etwas einfach so gehen? Ein begabtes, talentiertes Mädchen wurde ermordet, alle haben weggeguckt und wollen jetzt einfach weitermachen? Vivian und Beck beschließen, dass etwas passieren muss.
Unter den Teppich kehren - oder sich damit auseinandersetzen?
Mittlerweile sind wir mit diesen Berichten vertraut: Jemand hat sich eine Waffe beschafft und ist in einer Schule Amok gelaufen, hat nach Drohungen und Stalken seine ehemals geliebte Freundin - oder seine Freunde und Klassenkameradinnen und -kameraden - ermodert oder hat generell ein gewalttätiges Szenario geschaffen. Nach dieser Tat stellt sich immer die Frage, wie gehen die Hinterbliebenen mit diesem Einschnitt um, wie die Zeugen, die Schreckliches erleben mussten? Kyrie McCauley erzählt hier in ihrem Buch, wie die Öffentlichkeit sicher NICHT damit umgehen sollte. Wie sich ein Ort entscheidet, einfach zur Tagesordnung überzugehen und ein Verbrechen, das ein junges Leben einfach auslöschte, unter den Teppich zu kehren.
Im Roman treffen verschiedene Akteure zusammen: Da sind zum einen Cassies Freundinnen Vivian und Beck - beide grundverschieden und eigentlich wegen ihrer unterschiedlichen Art mit der Trauer umzugehen, entzweit. Dazu stößt die Podcast Autorin Merit Logan und überraschenderweise auch Cassie selbst. Sie taucht als Geist in der Handlung auf und weist ihren Freundinnen immer wieder den Weg, wie sie die bisher uninteressierte Öffentlichkeit doch noch wach rütteln können. Für meinen Geschmack wäre das nicht nötig gewesen. Die Erzählung über Vivain und Beck, die ihrer ermordeten Freundin ein künstlerisches Denkmal setzen, hätte hier vollkommen ausgereicht und einen Ausflug ins Phantastische oder Mystische hätte es hier nicht noch gebraucht.
Viel aus der griechischen Mythologie
Kryrie McCauley erzählt spannend aus dem Leben der Mädchen, die in der amerikanischen Kleinstadt aufwuchsen. Vieles - so wie zum Beispiel der Waffenbesitz - ist für dortige Verhältnisse scheinbar ganz normal, ungewöhnlich dagegen das Sprayen von Streetart. Bei der Wahl der Motive macht die Autorin aber auch regelmäßig einen großen Schritt in die griechische Mythologie. Möglicherweise ist das nicht jedermanns Sache Mir waren die gesprayten Motive in einigen Fällen recht fremd, da ich mit deren Geschichte nichts verbinden konnte. Hier hätte ich mir manchmal gewünscht, dass vielleicht doch einfachere Dinge dargestellt worden wären, die sicher genauso gut aus Cassies Leben hätten erzählen können. Ich hätte mir auch gewünscht, etwas mehr über Cassie selbst und vielleicht auch über die Geschichte von Nicholas - ihrem Mörder - zu erfahren.
Fazit
Kyrie McCauley erzählt eine wahrheitsnahe erschütternde Geschichte über den vorhersehbaren Mord an einem jungen Mädchen. Die einfache Schilderung des Lebens und der Aufarbeitung nach der Bluttat hätte ausgereicht, um einen bewegenden Roman zu schaffen - der eingebaute Mystizismus war gar nicht nötig.
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