Mit viel Gefühl
Familie sollte selbstverständlich Sicherheit, Geborgenheit und Liebe bedeuten. Doch dieses kleine Wort mit sieben Buchstaben kann auch für etwas Dunkles stehen: Gewalt, Angst und Wut. Leider erleben viele Kinder körperlichen und seelischen Missbrauch von einem oder beiden Eltern. So auch Mika; doch für ihn gibt es ein Licht am Ende des dunklen Tunnels. Schafft er es, darauf zuzugehen ..?
„Wir sind eben beide keine Wärter in diesem Gefängnis …“
Für Mika hängt mit dem Begriff Familie keine Geborgenheit oder Liebe zusammen, sondern vielmehr Schmerz, Angst und auch Scham - Scham davor, dass die Welt erfährt, dass sein Vater drogenabhängig ist und ihn sowie seine Mutter schlägt, die ebenfalls Drogen und Alkohol konsumiert. Da Mika 17 ist, muss er nur noch ein Jahr durchhalten, um endlich auf eigenen Beinen stehen zu können. Doch der Kühlschrank ist leer und Rechnungen müssen bezahlt werden, irgendwoher muss das Geld kommen. So vertickt Mika Drogen – und wird schließlich erwischt …
Das Jugendamt schaltet sich ein und es wird schnell klar, dass er aus dem Umfeld seiner Eltern herausgeholt werden muss. Er landet bei Ben und Paul, die bereits 3 Pflegekinder aufgenommen haben und mittlerweile als ihre eigenen aufziehen: Oskar, die taubstumme Kati und Joanna, genannt Jo. Sie haben mit ihren eigenen Traumata zu kämpfen, doch gemeinsam in ihrem kleinen Bauernhaus auf dem Land können sie als Familie heilen und erfahren, was es bedeutet, geliebt zu werden.
Mika ist das alles fremd und igelt sich ein. Er fürchtet Berührungen, weil die, die er gewohnt ist, mit Schmerzen verbunden sind. Einzig Jo findet einen Zugang zu ihm. Doch kann sie ihm vermitteln, was es heißt, eine Familie zu sein?
Zwei Seiten einer Medaille
Die Geschichte beginnt mit Mika und zeugt von Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Mika hält es nicht mehr aus - doch die Angst, dass sein Vater seine Wut nur noch an der Mutter auslässt, ist zu groß, um einfach abzuhauen. Die Drogen, der Alkohol und das Verhalten des Vaters schaffen eine gedrückte, perspektivlose Stimmung, die Ava Reed passend beschreibt.
Im krassen Kontrast ist da Jos Sicht der Dinge: Hier herrscht heile, kunterbunte Welt, alle haben sich lieb und helfen einander. Paul und Ben sind das Vorzeigepaar, die Oma sorgt für einen Mehrgenerationenhaushalt – was selbstverständlich funktioniert – und die vielen Tiere vermitteln ein Wohlgefühl a la Bullerbü. Kati ist zudem auf einen Rollstuhl angewiesen. Alles ist herrlich inklusiv und perfekt. Das ist durchaus eine schöne Vorstellung, sticht aber gerade durch den Kontrast zu Mikas Welt deutlich hervor. Einerseits ist dies gut, um zu zeigen, was Familie wirklich bedeuten sollte, nämlich Bedingungslosigkeit, andererseits ist es doch alles zu glatt.
Insgesamt fehlen einfach die Ecken und Kanten, die für nötigen Konflikt sorgen könnten. Vieles wird zudem nicht verarbeitet und bleibt unverdaut. Dennoch sollen diese Kritikpunkte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ava Reed wie immer eine berührende Geschichte geschaffen hat, in der man sich schnell verliert.
Fazit
Nicht ganz so rund, wie von Reed gewohnt, aber dennoch mit viel Gefühl. An einigen Stellen muss man beim Lesen schlucken, aber genau diesen Schmerz erwartet man von der Vorzeigeautorin für emotionale Geschichten.
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