Royal Taste

Wir schreiben das Jahr 1833. Auch wenn England schon recht fortschrittlich ist und viele neue Gesetze die Möglichkeiten von Frauen stark verbessert haben, gibt es dennoch einige gesellschaftliche Traditionen, die die Ungleichheit in der Bevölkerung aufrechterhalten. Die aus gutem Hause stammende Lady Helena muss sich jedoch nur wenig um diese alteingesessenen Konventionen kümmern, denn ihr stehen durch ihre Herkunft alle Türen offen. Auch wenn es ihre Freundin Lady Penelope aufgrund ihrer südländischen Mutter etwas schwerer hat, kann auch sie dank ausreichender finanzieller Mittel entspannt in die Zukunft schauen.

Gemeinsam besuchen die Freundinnen die Royale Akademie der Kulinarik in London, um dort ihre Ausbildung als Kulinarikerinnen mit Erfolg zu beenden. Damit dies gelingt, benötigen beide noch ein passendes Abschlussprojekt, mit dem sie ihre herausragenden Leistungen unterstreichen können. Als ihnen auf dem Markt zufällig der Straßenverkäufer Elijah Little begegnet, ist es direkt um Lady Penelope geschehen und sie ist nicht nur von seinen Backkünsten begeistert. Wie immer findet Helena hingegen etwas zu kritisieren und lässt in diesem Zuge verlauten, dass es ihr mit Sicherheit gelingen würde, aus ihm einen Gentleman-Koch zu machen, der mit den ganz Großen in den oberen Gesellschaftsschichten mithalten kann.

Dass Elijah ihre Aussage als Angebot sieht, war bei ihr zwar zunächst nicht geplant, doch als dieser unangekündigt bei ihr auftaucht und verkündet, ihr Angebot anzunehmen, braucht es nur etwas Überzeugungsarbeit von Penelope, bis sie Elijahs Ausbildung vom Straßenverkäufer zum Gentleman-Koch als perfektes Abschlussprojekt für sich sieht. Als auch ihre Lehrerin zustimmt, beginnt für die drei ein Abenteuer, das jeden der drei jungen Erwachsenen nachhaltig verändern wird…

Geschichte leicht verändert

Jennieke Cohen erzählt in Royal Taste nicht nur die Geschichte einer ungleichen Liebe, sondern zeigt auch, was wenige Änderungen im Verlauf der Geschichtsschreibung gesellschaftlich bewirken können. Denn anders als in ihrem Roman gab es in der Vergangenheit kein „Charlottianisches Zeitalter“, in dem sich die Geschichte zugunsten der Frauen verändert hat, da besagte Königin und Hoffnungsträgerin auf ein modernes England früh starb und es so nicht zu besagtem Wandel kommen konnte. Bei Cohen lebt Königin Charlotte jedoch weiter und führt viele Reformen ein, die vor allem die Möglichkeiten der Frauen verbessern, aber auch zu weniger Ungleichheit und Benachteiligung aufgrund von Herkunft oder Religion bei der gesamten Bevölkerung führen.

In dieser Welt bewegen sich Helena und Penelope, die als Frauen ihre Chance auf Ausbildung und der daraus resultierende Unabhängigkeit ergreifen und denen ein vielversprechendes Leben als Kulinarikerinnen winkt. Für Elijah sah der Alltag bisher eher beschwerlich aus. Als jüdischer Waise schlägt er sich seit seinem zwölften Lebensjahr allein durchs Leben, wobei ihm seine Leidenschaft für Lebensmittel und internationale Rezepte, die er von seinem seemännischen Onkel aus aller Welt zugeschickt bekommt, hilft. Seine Empanadas sind es schließlich auch, die die Aufmerksamkeit von Penelope auf sich ziehen und ihn in Kontakt mit den beiden jungen Frauen bringen.

Dennoch ist die Idee, ihn zu einem Gentelman-Koch auszubilden, ziemlich ambitioniert, wie alle drei schnell feststellen müssen. Helena hat nur wenig Empathie für ihren Schützling übrig, allgemein sitzt bei ihr das alte Standesdenken noch ziemlich fest und sie blickt von oben auf Menschen herab, die nicht auf einer Stufe mit ihr stehen. Zum Glück hilft Penelope Elijah immer wieder und unterstützt ihn, sodass er Helenas strenge Behandlung erträgt. Dass hinter der Hilfsbereitschaft mehr steckt und beide Gefühle füreinander entwickeln, macht die Sache nicht gerade einfacher und vor allem die Frage nach Elijahs Zukunft nimmt immer mehr Raum ein…

Romantische Liebesgeschichte im „My Fair Lady“-Stil

Ganz neu ist diese Art der Geschichte, in der eine Figur vom unteren Rand der Gesellschaft in die höhere Schicht aufsteigt, nicht und es wundert wenig, dass die Autorin als Inspiration die Geschichte von „My Fair Lady“ anführt, die sie von Kindheit an geliebt hat. Auch ihre Liebe zur Geschichte Englands wird spürbar, wobei ihre Veränderungen und die Einführung des „Charlottianischen Zeitalters“ ein interessantes Gedankenspiel sind. Die Erzählung selbst kann durch eine gut durchdachte Handlung mit einigen Wendungen überzeugen, auch wenn schnell klar ist, in welche Richtung sich die Geschichte am Ende entwickeln wird. Abwechslung bringen auch die drei Protagonisten, die durch Vielschichtigkeit überzeugen können, sodass es Spaß macht, sie in ihren ganz individuellen Entwicklungsprozessen zu begleiten.

Fazit

Mit Royal Taste – Ein Gentleman für Lady Penelope ist Jennieke Cohen ein romantischer Liebesroman gelungen, der vor allem durch seine historischen Veränderungen interessant ist. Unterschiedliche Charaktere, eine abwechslungsreiche Handlung und eine fast unmögliche Liebe sorgen dafür, dass man das Buch nur ungern aus der Hand legt!