Long-Lost Friend

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2009
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An Pauls Schule regiert der Terror. Brutale Schlägereien, Erpressung und Demütigung stehen auf dem Stundenplan ganz oben. Hoffnung gibt es keine, nur Angst, Scham und sehr viel Wut ...

Die Schule ist die Hölle, die Lehrer Tyrannen oder Weichlinge, die Mitschüler gefährlich oder feige. Gewalt beherrscht den Schulalltag. Es geht nicht um den Lernstoff, sondern darum, unsichtbar zu bleiben, um nicht drangsaliert zu werden. Wenn ein anderes Opfer gefunden ist, kann man selbst aufatmen. 
Dem Opfer helfen? Nein, bloß nicht, bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. 
Mitleid? Ja, schon, aber die Freude, nicht selbst ins Visier geraten zu sein, ist größer. 
Und das Schlimme daran ist: Dies ist bittere Realität – hier und heute.

Mitten in dieser Hölle befindet sich Paul, der uns seine Geschichte erzählt. Er ist eigentlich ein ganz pfiffiges Kerlchen mit einer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe. Doch auch sein oberstes Ziel ist: Bloß nicht auffallen! Welches der Tag ist, an dem er starb, ist nicht ganz klar. Vielleicht der Anfang, vielleicht das Ende seiner Geschichte, vielleicht auch der Tag, an dem die tragischen Ereignisse ihren Höhepunkt gefunden haben - Interpretationssache, ganz eindeutig! Jedenfalls erzählt er von Anfang an, wie sich das Netz um ihn herum immer mehr zugezogen hat und er sich dem Strudel der Gewalt schließlich nicht mehr entziehen konnte. Ganz genau beobachtet er dabei sein Umfeld, durchschaut die Strukturen und sieht die Ungerechtigkeit, das Fehlverhalten, die Opfer und die Täter.

Der Täter ist eindeutig der brutale Roth. Er ist nicht nur ein Schläger, er ist ein Meister der Manipulation, und genau das macht ihn so gefährlich. Geschickt beginnt er, Paul zu umgarnen und auf seine Seite zu ziehen. Einzig die sogenannten Freaks, eine Clique von Außenseitern, scheinen sich im Großen und Ganzen nicht vor Roth zu fürchten, was definitiv an ihrem Anführer Shane liegt, der wohl als einziger Roth’ manipulative Vorgehensweise durchschaut. Shane nimmt Paul in seiner Clique auf, doch leider akzeptieren ihn nicht alle. Obwohl Paul weiß, dass er wohl nie komplett dazugehören wird, bekommt er trotzdem einen Eindruck davon, wie es sich anfühlt, angenommen zu werden. Außerdem baut er Selbstvertrauen auf.

Doch Roth gibt nicht auf. Er bedient sich Pauls Furcht, zeigt ihm seine Anerkennung und schafft es viel zu schnell, ihn für sich einzuspannen. Und so bringt Paul dem Anführer Goddo der verfeindeten Temple-Moor-Schüler ein Päckchen - ein grausiges Geschenk, wie sich herausstellt. Mit einer Kriegserklärung wird Paul zurückgeschickt: Goddo wird Roth töten!

Letztendlich waren Shanes Bemühungen umsonst. Paul versucht zwar noch, aus der ganzen Sache auszusteigen, wird aber durch diverse Rückschläge ins Zentrum der Gewalt zurück katapultiert. Er vergisst jeglichen Weit- und Überblick und wird schließlich sogar zum Opfer seines eigenen Sozialverhaltens, weil er sich im unmittelbar bevorstehenden Kampf um die noch Schwächeren kümmert. Die Geschichte gipfelt in einer Orgie aus Gewalt und endet so erschütternd und deprimierend, wie sie begonnen hat: Der Kampf endet mit einem Toten.

Für den Leser gibt es über die kompletten 250 Seiten hinweg keinen wirklichen Hoffnungsschimmer. Selbst der kleinste Lichtblick schwindet sofort wieder, denn allzu deutlich wird immer wieder, dass sich Paul Roth einfach nicht entziehen kann. Zunächst hält ihn sein Hunger nach Anerkennung zurück und schließlich sein Verantwortungsbewusstsein für die noch Schwächeren. Bedauerlich ist ebenfalls, dass Paul die vielen Chancen, selbst gewaltfrei zu bleiben, nicht genutzt hat. Er ist kein Held und muss auch kein Held sein - aber man fragt sich, ob er nicht doch einen Weg aus dem ganzen Desaster hätte finden können?

Richtig sympathisch war mir Paul von Anfang an nicht, und manche seiner Reaktionen waren für mich nicht nachvollziehbar. Während er anfangs noch den kritischen Durchblick besitzt, entgleitet ihm diese Fähigkeit später. Meine (wahrscheinlich sehr gewagte) Vermutung ist, dass Anthony McGowan keinen anderen Weg gefunden hat, Paul auf sein gewünschtes Ende hinführen zu können. So wirkte die Geschichte ab einem gewissen Zeitpunkt ein wenig konstruiert.

Insgesamt ist es natürlich gut, wenn die Lebensumständen und Situationen in der Jugendliteratur möglichst authentisch sind. Die Brutalität, Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit sind hier jedoch, und dies sollte man wissen, in extremster Form dargestellt. Dieses Buch zeigt deutlich, wie ein normaler, durchschnittlicher Junge zu einem Opfer der perfiden Manipulation eines anderen wird – unwissentlich und wissentlich.

Bleiben folgende Fragen: 
Was genau will uns der Autor mit diesem Buch sagen? 
Dass die wenigen, die sich gegen willkürliche Gewalt und Ungerechtigkeit auflehnen, keinen Erfolg haben und tragisch scheitern?
In jedem Fall aber hat dieses Buch bewirkt, dass man Gewalt noch mehr ablehnt als man es ohnehin schon tut und für psychische Manipulation sensibilisiert worden ist.
Insgeheim hoffe ich natürlich, dass Anthony McGowan hier nicht den durchschnittlichen Schulalltag zeigt - weder den aktuellen noch den zukünftigen. 

FAZIT

Anthony McGowan bedient sich durch die harte Darstellung von Tragik und Gewalt wahrscheinlich dem Werkzeug der abschreckenden Wirkung.  Vielleicht soll der Leser dieses Buch mit dem Gedanken "Diese Geschichte darf nie Wirklichkeit werden!" zur Seite legen. Hoffentlich mit dauerhaften Erfolg!

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Corinna Abbassi-Götte
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonOkt 2009

 Ein Buch über die Liebe in einer Freundschaft  

Als Kinder waren Cameron und Jenny unzertrennlich, bis Cameron plötzlich verschwand. Jenny hat ihn für tot gehalten, acht lange Jahre. Und dann, an ihrem 17. Geburtstag, ist er plötzlich wieder da. Jenny muss sich nicht nur ihren Gefühlen, sondern dem schlimmsten Tag ihres Lebens stellen: ihrem neunten Geburtstag.

Als kleines Mädchen hat Jenny gelispelt und war übergewichtig, eine Außenseiterin. Doch dann kam Cameron! Zu zweit gegen den Rest der Welt, und die Hänseleien der Mitschüler waren gleich viel weniger schlimm. 
An Jennys neunten Geburtstag geschieht etwas, das sie auch Jahre später noch nicht verarbeitet hat. Kurz danach verschwindet Cameron, und Jenny hält ihn für tot.

Acht Jahre später ist von der Außenseiterin nicht mehr viel übrig. Jenny nennt sich jetzt Jenna, lispelt nicht mehr, hat abgenommen, kleidet sich modisch, hat Freundinnen, sogar einen Freund. Ihre Leben verläuft in geregelten Bahnen, Überraschungen hasst sie, Kontrolle ist alles.  Da ihre Mutter neu geheiratet hat und die Familie weggezogen ist, war es ihr möglich, ein komplett neues Leben zu beginnen. Niemand weiß etwas von der Außenseiter-Jenny, von Cameron oder von dem, was an ihrem neunten Geburtstag geschehen ist.

Und dann kommt ihr 17. Geburtstag, und Cameron ist plötzlich wieder da. 
Warum ist er damals so plötzlich verschwunden und hat sich nie gemeldet? Was ist an ihrem neunten Geburtstag geschehen? Was war so schlimm, dass Jenna acht Jahre später immer noch darunter leidet?

Mit Jenny warm zu werden ist durch ihre Beherrschtheit und ihre kühle Fassade anfangs etwas schwierig. Dass sie die wirklich wichtigen Ereignisse ihrer Vergangenheit zurückhält, macht die Sache nicht einfacher, stachelt die Neugier des Lesers aber permanent weiter an. 
Jenny entpuppt sich jedoch als überaus starker Charakter. Sie hat es immerhin geschafft, sich neu zu erfinden. Nicht gut ist natürlich, dass sie sich nie wirklich mit der Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Für ihre 17 Jahre ist sie viel zu kontrolliert und zeigt niemanden ihr wahres Ich. "Dank" Cameron bröckelt die Fassade, und dies bleibt auch ihren Freunden nicht verborgen. Dabei ist es schön zu sehen, wer wirklich an ihr interessiert ist. Und endlich hat Jenny die Chance, ihren neunten Geburtstag zu verarbeiten.

Durch die Andeutungen auf ein zurückliegendes Drama beginnt das Buch in recht gedrückter Stimmung. In wohldosierten Rückblicken erfährt man, was Cameron und Jenny erlebt haben. Die Offenbarungen sind schockierend, die Ereignisse dramatisch, die Offenlegung schließlich befreiend, das Ende ein wenig deprimierend und doch gut. Zurück bleibt ein wehmütiges Gefühl, und die Betroffenheit lässt sich nicht so leicht abschütteln.

Jenny hat gelitten, doch was Cameron durchgemacht hat, kann man sich nur ansatzweise vorstellen. Die Sympathie für ihn wächst mit jeder Offenbarung. Da verzeiht man ihm am Ende bereitwillig, dass er acht Jahre gebraucht hat, um sich bei Jenny zu melden. Was die beiden einander bedeuten, berührt zutiefst. 

Zwischen all den Freundschaftsgeschichten fällt "Long-Lost Friend" sofort auf. 
Jennys und Camerons Geschichte zeigt überdeutlich, wie besonders und unvergänglich die Liebe zwischen besten Freunden sein kann. Mit dem besten Freund oder der besten Freundin teilt man alles, und eine schwere Bürde wiegt gleich viel weniger, wenn man sie gemeinsam trägt. Den besten Freund oder die beste Freundin vergisst man nie, auch wenn Jahre später vielleicht nur noch sporadischer Kontakt besteht. Die Spur, die der eine im Leben des anderen hinterlässt, wird niemals verschwinden.

FAZIT

Was wäre gewesen, wenn Jenny und Cameron sich nicht gehabt hätten? Diese Frage stellt man sich mit jeder entsetzlichen Offenbarung. Auf berührende Weise führt Sara Zarr dem Leser vor Augen, wie wichtig es ist, jemandem zu haben, der stark ist, wenn man es selbst nicht sein kann – und wie unvergänglich die Liebe zu dieser Person ist.

Long-Lost Friend

Sara Zarr, dtv

Long-Lost Friend

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