Ein Thema, das wahrscheinlich jeden direkt oder indirekt irgendwann betreffen wird
Bisher lief Cornelius‘ Leben nach Plan. Er hat mit Aksel, Oliver und Lea gute Freunde, mit denen er Spaß haben kann und die füreinander da sind. Auch in der Schule und Zuhause gibt es keine Schwierigkeiten, er wohnt bei seinen Eltern, die sich um ihn kümmern und ihm gleichzeitig genügend Freiräume geben. Auch das Gymnasium fällt ihm nicht schwer und er kann gut mithalten. Doch dann gerät sein Leben von einem auf dem anderen Tag aus den Fugen. Auf einer Party überkommt ihn plötzlich eine Übelkeit, die seinen ganzen Körper einnimmt. Er bekommt nichts mehr von seiner Umgebung mit, fängt an zu schwitzen und hat das Gefühl, unbedingt wegzumüssen. Nach einer Weile ist das Gefühl wieder vorbei und lässt ihn komplett überfordert zurück. Er weiß nicht, was mit ihm passiert ist, es fühlt sich fast wie eine Illusion an, doch von diesem Tag an passiert es immer wieder. Da er nicht weiß, wann es passiert, lebt er mit der ständigen Angst vor der nächsten Episode, die ihn jedes Mal komplett überwältigt.
Er beginnt, sich zurückzuziehen, denn er hat das Gefühl, mit seinen Freunden nicht über das Thema sprechen zu können. Er ist überzeugt, dass sie ihn nicht verstehen würden. Dennoch merken sie natürlich, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Auch seinen Eltern fällt die Veränderung auf und sie schicken ihn zunächst zu einem Arzt. Dieser verschreibt ihm Beruhigungstabletten, die Cornelius jedoch eher unheimlich sind, da sie unter anderem als Einstiegsdroge gelten. Schließlich landet er bei einer Psychologin, die mit ihm arbeitet, was aber ganz anders abläuft, als er es sich vorgestellt hat. Ob es ihm gelingen wird, seine Übelkeit und seine Angst zu überwinden, um wieder am „normalen“ Leben teilhaben zu können?
Angst kann jeden treffen
Eine Angststörung trifft in erster Linie ängstliche Menschen, Mädchen, Frauen oder Menschen mit geringem Selbstbewusstsein? Falsch, eine Angststörung kann generell jeden treffen. Auch wenn es bestimmte Risikofaktoren gibt, sind die Ursachen oft individuell und teils biologisch bedingt und lassen sich nicht vorhersagen. Dennoch ist die Einstellung gegenüber Erkrankten oft noch relativ voreingenommen. Sie sollen sich zusammenreißen, sich nicht so anstellen oder einfach mal über ihren Schatten springen und sich der Angst stellen. Auch wenn letztere Methode oft in der Psychotherapie angewandt wird, helfen diese Aussagen Betroffenen nicht. Im Gegenteil, sie fühlen sich noch unverstandener, ziehen sich noch mehr zurück und verschließen sich.
So geht es auch Cornelius, der sich nicht traut, mit seinen Freunden über seine mentalen Probleme zu sprechen. Einerseits hat er Angst vor den Reaktionen, andererseits wurde in ihrer Freundschaft bisher zwar über alles Mögliche gesprochen und auch intime Themen wie Masturbation sind kein Tabu, doch gleichzeitig wird nicht über Gefühle und das tiefste Innere gesprochen, was Cornelius im Laufe seiner Krankheit auffällt und ihn auch ein Stück weit verwundert. Nur bei Lea, deren Bruder ebenfalls unter einer psychischen Krankheit leidet, kann er sich nach langer Zeit öffnen, da sie einen ganze anderen Umgang mit dem Thema hat.
Ein Tabuthema, über das man nicht spricht?
Alexander Kielland Krag macht mit seinem Roman auf ein lange vernachlässigtes Thema aufmerksam, über das man lieber nicht spricht, schließlich will man nicht abgestempelt und in die Schublade „verrückt“ gesteckt werden, was bei dieser Art von Erkrankungen auch heute noch viel zu häufig passiert. Gerade von Männern oder Jungen wird „Stärke“ erwartet, eine Angststörung passt da nicht ins Bild, was sich gut an seinem Protagonisten erkennen lässt, der es nicht gewohnt ist, über seine Gefühle zu sprechen. Dadurch, dass der Autor aus Cornelius Sicht erzählt, lassen sich seine Gedanken, Gefühle und Sorgen gut nachvollziehen und man durchlebt mit ihm die verschiedenen Abschnitte seiner Krankheit. In kurzen Abschnitten, die teils nur wenige Zeilen umfassen, erzählt Alexander Kielland Krag in kurzen Notizen, wie es dem Siebzehnjährigen gerade geht und was ihn beschäftigt. Besonders gut kommt hierbei zur Geltung, wie klar sich Cornelius seiner Erkrankung ist, wobei er sich ihr gleichzeitig völlig machtlos gegenüber sieht: „Was hätte Cornelius vor einem Jahr gesagt, wenn er mich jetzt sehen könnte? Was würde ich sagen, wenn ich Cornelius in einem Jahr sehen könnte? Ich weiß nicht, welche Vorstellung mir größere Angst macht.“
Fazit
Ein eindrucksvolles Buch, in dem das Thema psychische Erkankungen im Fokus steht und aus seinem Schattendasein geholt wird. Andreas Kielland Krag zeigt durch seinen Protagonisten, dass das Thema jeden treffen kann und es an der Zeit ist, offener über mentale Gesundheit und Gefühle zu sprechen, was sowohl für Betroffene als auch (noch?) nicht Betroffene einen Gewinn bedeuten würde!
Alexander Kielland Krag, Arctis
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