Mutige Menschen

Überall auf der Welt gibt es Ungerechtigkeiten, Unterdrückung und Kriege. Religionen, Gesellschaften und Staaten haben schon seit Jahrhunderten einerseits für Wohlstand und Sicherheit gesorgt, aber auch viele Leben gekostet. Häufig wurden dabei ganze Menschengruppen als weniger wertvoll betrachtet und deren Ausbeutung mit der Weltanschauung zu jener Zeit begründet. Häufig standen diese Abwertungen auch in einer Art Tradition oder waren ein Katalysator für Diktaturen.

Der Autor Christian Nürnberger fragt in seinem Buch Mutige Menschen nach dem einen Impuls oder den Auslösern, die aus normalen Menschen, aus Mitläufern, aus Mittätern diejenigen werden lassen, die ihre Stimme erheben, die sich für Veränderungen einsetzen und dafür auch Verfolgung, Gewalt, Verhaftung und sogar den Tod in Kauf nehmen.

„Die Freiheit ist den Kampf wert.” - Maria Kolesnikowa

Schon 2008 erschien unter dem gleichen Titel ein Buch mit der gleichen Fragestellung. Jetzt, 15 Jahre später, ist die Auswahl der vorgestellten Persönlichkeiten, von denen es sechs neue ins Buch geschafft haben, ganz passend zu dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs.

Themen wie Feminismus, Rassismus, gewaltfreier Protest, Russland, Hong Kong und „Fridays for Future“ werden hier im historischen Kontext betrachtet und einige Themen der Nachrichten der letzten Jahre gut verständlich erläutert.

Den Anfang macht die Französin Simone de Beauvoir, die mit ihrer Beziehung zum Philosophen Jean-Paul Sartre teilweise bekannter ist als mit ihrem Lebenswerk „Das andere Geschlecht”, das mit den Jahren zum Hauptwerk des Feminismus wurde. Wie gerade Simone de Beauvoir zur Autorin wurde, deren Leben so viel anders verlaufen ist als das vieler Frauen ihrer Generation und vieler Generationen vor und nach ihr, versucht Nürnberger mit ausgewählten Stationen ihrer Biografie zu erkunden. Besonders spannend ist die Rezeptionsgeschichte ihres Buches, welches erst in der Versenkung verschwand, um 14 Jahre später allmählich zur Grundlage des Gleichberechtigungskampfes der Frauen zu werden und selbst heute noch das Standardwerk zum Thema ist.

Neben Bartholome de Las Casas, einem Zeitgenossen des Seefahrers Kolumbus, der einer der ersten war, der gegen die Sklaverei protestierte und sich für deren Abschaffung einsetzte, finden sich hier auch die Wege von bekannteren Gesichtern der Weltgeschichte wie Martin Luther, Nelson Mandela und Rosa Parks.

Besonders up to date sind die letzten fünf Beiträge, die die Hintergründe zu ein paar der erschreckendsten und aktuellsten Entwicklungen in der Welt und besonders in Europa sehr eindrücklich beleuchten.

Die Meldungen bezüglich des Russen Alexej Nawalny und des Amerikaners Edward Snowden waren wie gemacht für einen Spionagekrimi a la James Bond und haben sich lange Zeit wie vereinzelte Puzzlestücke nach und nach zu einem Ganzen verdichtet, wobei sicher viele den Überblick verloren haben.

Sehr beeindruckend ist die Geschichte rund um Maria Kolesnikowa und ihren beiden Mitstreiterinnen, die sich mutig dem belarussischen Diktator Lukaschenko entgegenstellten und bis heute dafür mit ihrer Freiheit bezahlen.

Mit Ray Wong, der als Student gegen Chinas Machtdiktatur in Hong Kong protestierte und Disha Ravi, die in Indien die „Fridays for Future“-Bewegung vertritt, zeigt der Autor auch, dass schon Jugendliche einen beachtenswerten Beitrag zur Verbesserung der Welt und des Lebens für viele leisten können.

Wunderbar erzählt

Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, wodurch einige Menschen aktiv werden, wird deutlich, dass es häufig ein langer Weg zur Erkenntnis und hin zum eigenen Weg ist.

Christian Nürnberger vermag es eindrucksvoll, diese Menschen innerhalb ihrer Zeit zu porträtieren und dabei auch ihre persönlichen Beweggründe gut nachvollziehbar zu betrachten. Dabei bekommt der Lesende auch einen sehr guten Eindruck von geschichtlichen Zusammenhängen und es gelingt ein etwas vollständigerer Blick auf Vergangenes und Aktuelles.

Die Beiträge sind sehr spannend geschrieben und schlagen jeweils das Rad von der Vergangenheit in die Gegenwart, sodass gut ersichtlich wird, dass Geschichte nicht endet, sondern immer auch uns persönlich betrifft und Teil unserer eigenen Geschichte ist.

Fazit

Mutige Menschen ist ein nur zu empfehlendes Sachbuch für Jugendliche - voller Inspiration, Wagemut und Vorbilder. Wirklich mitreißend geschrieben, bekommt man hier einen umfassenden und persönlichen Blick auf Geschichte, deren Auswirkungen bis zu uns selbst reichen.