Zerbrich uns. Nicht.

  • LYX
  • Erschienen: Juni 2023
  • 0

Broschur, 480 Seiten

Band 4 von 4 aus der Berühre mich nicht-Reihe

ISBN: 9783736319332

Zerbrich uns. Nicht.
Zerbrich uns. Nicht.
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Sabine Bongenberg
3101

Jugendbuch-Couch Rezension vonOkt 2023

Vieles ist unausgegoren

Aprils Traum von der großen Liebe, der vertrauensvollen Beziehung mit Gavin blieb tatsächlich nur eine kurze Illusion. So lange hatte eine traumatische Nacht ihr Leben überschattet, endlich hatte sie geglaubt, die Erinnerungen daran überwinden zu können. Jetzt stellt sich heraus, dass Gavin die Schuld an den fürchterlichen Ereignissen trägt. April ist am Boden zerstört. Dennoch muss das Leben irgendwie weitergehen und so wirft sie sich in ihre neuen Projekte. Aber auch das ist nicht so einfach, denn überall scheint Gavin aufzutauchen. Er selbst kann sich das allerdings auch nicht so aussuchen, denn sein Professor hat ihn regelrecht dazu verdonnert, in einem ihrer Hilfsprojekte für Studierende mitzuarbeiten, will er denn ausnahmsweise noch sein Semester erfolgreich abschließen. Wie also abschließen, wenn man jemanden täglich sieht und immer noch Gefühle für ihn hegt? Gavin allerdings trägt auch seine Probleme mit sich: Seine Mutter ist bei ihm eingezogen und ihre Alkoholsucht machen ihm - und natürlich dem vierbeinigen Freund Jack - das Leben zur Hölle. Es sind viele Bälle, die er irgendwie in der Luft halten muss und da ist auch noch der nagende Liebeskummer. Gibt es wirklich keine Lösung?

Unverzeihlicher Vertrauensverlust - oder alles nicht so schlimm?

In ihrem vierten Band der „Berühre mich. Nicht.“-Reihe macht Laura Kneidl April und Gavin zu den Hauptpersonen. Die Bände eins und zwei hatte sich in erster Linie um die Liebesgeschichte zwischen Luca, Aprils Bruder, und Sage, die neu an die Uni gekommen war, gedreht. Der dritte Band widmete sich bereits April und Gavin und endete mit einer gefühlsmäßigen Katastrophe. In diesem Band erzählen beide kapitelweise als Ich-Erzähler, wie es mit ihrer Geschichte weiter gegangen ist. Dabei erleben wir allerdings die vorher aktive und selbstbestimmte April in erster Linie als ein Häuflein Elend, das sich mit einer großen Schachtel Taschentücher und einer noch größeren Dose Eiscreme zu Hause verbarrikadiert und nie wieder einen Schritt vor die Tür setzen möchte.

Liebeskummer dürfte vielen bekannt sein. Dennoch kommt hier ein Umstand zu tragen, der Aprils Leid von anderen unterscheidet. Sie erfuhr, dass Gavin einst ihr unbekannter erster Sexualpartner war, der ausnutzte, dass sie volltrunken nicht mehr wusste, was sie tat und der sich am nächsten Morgen klammheimlich davonstahl. Wegen ihres Vollrauschs konnte sie sich auch nie daran erinnern, wer denn in dieser Nacht bei ihr gewesen war. Wenn April ihren Wahrnehmungen trauen würde, dann würde aber hier schon der Boden des Strafgesetzbuches betreten, denn: Wenn jemand den Rausch eines anderen ausnutzt und mit ihm schläft, dann liegt hier möglicherweise eine Nötigung vor, schlimmstenfalls könnte man sogar von einer Vergewaltigung sprechen. Das allerdings sind dann schon Umstände, die nicht mehr unter dem „normalen“ Liebeskummer fallen, sondern ein unverzeihlicher - und strafbarer - Vertrauensmissbrauch. Gavin selbst stellt in seinen Aussagen diese Nacht ganz anders dar. Er hatte April gar nicht als so betrunken empfunden und war der Meinung, dass das, was passierte, einvernehmlich war. Das allerdings wirft Fragen auf: Wenn jemand so dicht ist, dass er/sie sich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern kann, dann müsste man das doch merken, oder?

Diese Fragen werden aber nicht thematisiert. April beschäftigt sich vielmehr damit, wie Gavin sie einfach so im Stich lassen konnte, wie er einfach verschwinden konnte und das scheint ihr Hauptproblem zu sein. Alles andere war dann offensichtlich nicht so schlimm? Diese Frage lässt sich dann alsbald beantworten, denn schnell wird im Roman klar, dass bei der Zusammenarbeit der beiden nach wie vor die berühmten „Funken“ sprühen. Also war wohl tatsächlich alles nicht so schlimm - wozu dann das ganze Drama?

Asexualität und Alkoholsucht - wichtige Fragen bleiben an der Oberfläche

Laura Kneidl spricht in ihrem Roman auch weitere Themen an. Da wäre zum Beispiel die Frage der Asexualität, der sich April neuerdings widmet, vermutet sie diese Eigenschaft doch auch bei sich. Dazu werden dann auch recht langatmige Passagen und Erläuterungen eingebaut, die mich aber wirklich nicht überzeugten. Es ist doch wohl eine andere Sache, tatsächlich und generell kein oder wenig Interesse an Sex zu haben, als keine Lust zu verspüren, weil man einer bestimmten Person hinterhertrauert.

Als sehr unglücklich empfand ich auch die Darstellung Gavins im Umgang mit seiner Mutter. Offensichtlich ist diese alkoholabhängig und ihr Sohn setzt regelrecht Berge in Bewegung, damit sie ein Dach über dem Kopf hat und ihre Verletzungen auskurieren kann, die sie sich jeweils in ihren Vollräuschen zugezogen hat. Hier wird allerdings das gefährliche Feld der „Co-Abhängigkeit“ betreten. Wer - bei aller Liebe - einer abhängigen Person alles abnimmt und ihr somit hilft, dass sie erst gar nicht versuchen muss, aus ihrer Lage herauszukommen, gibt ihr damit auch keinen Grund, ihr Leben zu ändern. Dazu kommt, dass es doch die Aufgabe der Mutter wäre, sich um ihr Kind zu kümmern - und nicht umgekehrt.  Kneidl lässt diesen Umstand aber unwidersprochen stehen. Gavin wird vielmehr als der Heilige dargestellt, der sich zwischen Studium und den Jobs aufreibt, die er letztendlich in erster Linie braucht, damit seine Mutter finanziert wird. Entsprechende Hinweise zu Selbsthilfegruppen - wie beispielsweise Al-Anon oder zum Alkoholiker Forum - die wichtig gewesen wären und die man sicherlich im Anhang hätte aufnehmen können, vermisste ich auch.

Zusammengefasst und unterm Strich war Zerbrich uns. Nicht für mich eine „normale“ Liebesgeschichte, die aber mit verschiedenen Nebenschauplätzen verkompliziert und in die Länge gezogen wurde. Ehrlich gesagt, verstand ich auch manchmal nicht, was April und Gavin tatsächlich so sehr voneinander anzog. Schön war dagegen, dass sich die Leserinnen und Leser ab und zu davon überzeugen konnten, dass es zwischen Sage und Luca offensichtlich noch bestens läuft, erfuhren diese doch ab und zu einen Kurzauftritt. Scheinbar ist die „Berühre-mich-nicht“-Serie auch nicht mit diesem Band beendet, denn so wie man zwischen den Zeilen lesen konnte, gibt es zwischen Cam - dem Betreiber des Cafés in dem April jobbt - und einer ihrer Freundinnen Megan - noch „Klärungsbedarf“.

Fazit

Die Liebesgeschichte zwischen April und Gavin: Sehr viel Drama und natürlich auch Gefühl. Laura Kneidl kann gut erzählen, aber vieles Wichtige wird einfach zu oberflächlich abgehandelt.

Zerbrich uns. Nicht.

Laura Kneidl, LYX

Zerbrich uns. Nicht.

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