Mein ziemlich seltsamer Freund Walter

Lisa, 9 Jahre, zählt die Tage bis zum Erwachsenwerden. Dann muss sie morgens nicht mehr zu ihrer fürchterlichen Schule, vorbei an der Gruppe gelangweilter Jugendlicher, die auf dem Spielplatz abhängen und oft und gerne ihren Frust an ihr auslassen, muss nicht mehr die eigenartigen Blicke ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden ertragen und könnte vielleicht auch dem Zuhause entfliehen, wo sich sowieso keiner für sie interessiert. Nein - es gibt eigentlich nichts, was an Lisas Leben schön wäre. Interessant ist allenfalls die Astro-Software auf ihrem selbst zusammengebauten Computer, mit dem sie nach außerirdischem Leben forscht. Natürlich ereignet sich auch in diesem Bereich nichts Bewegendes - bis zu dem Abend an dem sich ganz deutlich ein unbekanntes, fliegendes Objekt - landläufig auch UFO genannt - auf ihrem Bildschirm abzeichnet. Aber nicht nur, dass da ein UFO zu sehen ist, es landet auch noch im nahe gelegenen Wald! Sofort stürzt Lisa dahin und schnell lernt sie: Unbekannte, fliegende Objekte können Staubsaugern verblüffend ähnlichsehen, Außerirdische sind vom irdischen Wetter alles andere als begeistert und es kann ihnen genauso passieren, dass bei einem schnellen Aufbruch ein Teil der Reisegruppe auf der Erde vergessen wird. Derjenige, der hier allein zurückbleibt, trägt einen unaussprechlichen Namen, ist mit altmodischen Latzhosen bekleidet und braucht Lisas Hilfe. Oder braucht sie seine?

„Ich würde mich nicht als Kind bezeichnen, wenn mich einer fragen würde. Aber mich fragt ja keiner.“

Sybille Berg schreibt eigentlich Bücher für Erwachsene oder auch Kolumnen für Zeitungen. Hier hat sie sich gemeinsam mit dem Zeichner Julius Thesing die Geschichte von Lisa und ihrem ziemlich seltsamen Freund Klakalnamanazdta ausgedacht, den diese aus gutem Grund in „Walter“ umtauft.
Walter wurde von seiner außerirdischen Reisegruppe bei einem Kurzbesuch auf der Erde zurückgelassen und er ist über so einiges überrascht, was er hier vorfindet. So verwundert ihn, dass sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmern, dass sich Jugendliche an Kleinen und Schwachen abreagieren und dass auch die ganz „normalen“ Kinder alles abzulehnen scheinen, was ein wenig anders ist.

Walter ist aber nicht derjenige, der das jetzt alles mit einem Fingerschnippen ändert. Schön ist, dass er Lisa vielmehr eine Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Manchmal ist es doch so, dass diejenigen, die sich wie ein einfaches „Opfer“ verhalten, auch wie ein solches behandelt werden. Walter zeigt Lisa, wie sie ihren Weg gehen kann, wie sie sich selbstbewusst behaupten und damit vieles, was ihr das Leben schwer macht aus dem Weg räumen kann. Besonders lebendig wird die Erzählung durch die witzigen Zeichnungen von Julius Thiesing. Wer hier einmal genauer hinschaut, erkennt filmende Hasen, erklärende Hund und fallschirmspringende Ratten. Hübsch ist auch, dass die ganze Geschichte in ein kleines Theaterstück mit sich öffnendem und schließendem Vorhang eingebaut ist.

„Bei uns geht es um kuscheln, spazieren gehen, mit Tieren spielen. Also einfach die wichtigen Dinge.“

Dennoch war ich nicht mit allen Wendungen aus Lisas und Walters Geschichte begeistert. Gut gefiel mir, dass Lisa aufgezeigt wird, dass sie selbst auch einiges an ihrem Leben ändern kann und es auch an ihr selbst liegt, Freunde zu finden. Für meinen Geschmack wurde aber einiges recht einfach dargestellt. Ob sich eine Clique von Jugendlichen, die sich als Rapper und junge Verbrecher sehen, sich durch beherztes Anbrüllen von weiteren Attacken abhalten lässt? Ich weiß es nicht. Nicht wirklich glücklich war ich mit dem Ansatz, den Lehrern in der Schule das zu erzählen, was sie hören wollen, und dann würde das schon klappen. Gut war dagegen der deutliche Hinweis, dass vieles besser klappt, wenn sich die Menschen gegenseitig respektieren. Als viel zu einfach fand ich dagegen die Lösung der Probleme im Elternhaus. Wenn Mama und Papa mittlerweile zu viel Rotwein trinken und sich überhaupt nicht mehr vor der Couch weg und vor die Wohnung bewegen, dann hilft bestimmt nicht nur ein einfaches Gespräch. Aber hier lassen Berg und Thiesing dann doch ein wenig Märchen zu, wonach diese Änderung möglicherweise mit Walters außerirdischen Kräften im Zusammenhang stehen könnte. Manchmal empfand ich aber auch den hilfreichen Walter als etwas zu altklug.

Was als Vorteil und gleichzeitig als Nachteil empfunden werden kann, ist der Textanteil, der recht deutlich hinter den Zeichnungen zurückbleibt. Wer nicht so gerne liest, der mag das vielleicht als ganz angenehm empfinden. Andere mögen vielleicht bei vielen Zeichnungen und wenig Text den Buchpreis von doch mehr als 20 Euro als hoch betrachten. Andererseits - wenn man etwas mehr über besondere Außerirdische erfahren möchte, kann man vielleicht etwas tiefer in die Tasche greifen. Ich hätte mir aber auch gewünscht, dass für die Leserinnen und Leser, denen kein hilfreicher Walter zur Seite steht, vielleicht ein paar Kontakt- und Hilfeangebote aufgezeigt würden. Die fehlen leider in diesem Buch komplett.

Fazit

Sybille Berg und Julius Thesing haben ein Mut machendes, kleines Büchlein über das Finden des eigenen Weges verfasst. Vieles mag ein wenig vereinfacht dargestellt sein, letztendlich kann aber auch ein Buch allein vielleicht nicht alle Probleme des Lebens lösen. Aber es kann immerhin einen guten ersten Ansatz bieten.