Ganz nah dran ..?
Fast 1 Jahr ist es nun her, dass Tiana sich mit Dr. Facilier, dem Schattenmann von New Orleans, und seinen Freunden aus dem Schattenreich eingelassen hat. Das Angebot war einfach zu verlockend gewesen: Nachdem sie seinen Talisman in ihren Besitz gebracht und damit seine Pläne, Prinz Naveen aus Maldonien in einen Frosch zu verwandeln und durch die Hochzeit eines Doppelgängers mit Charlotte als Prinzessin des Mardi Gras an Geld, Macht und Reichtum zu gewinnen, durchkreuzt hat, musste Facilier versuchen, auf Umwegen ans Ziel zu kommen und Tiana etwas zu geben, was sie nicht abschlagen konnte. Und so wurde folgendes Arrangement getroffen: Bis auf Louis, den trompetenden Alligator, der nun dauerhaft als Mensch in New Orleans wandeln darf, vergessen alle, was geschehen ist. Dafür erhält Tiana nicht nur ihr eigenes Restaurant, sondern noch viel besser: Ihr heißgeliebter Vater darf wieder am Leben sein!
Dazu muss sie lediglich versprechen, eine vom Schattenmann hergestellte Tinktur in ihr Etouffé zu geben. Mit dieser hofft Facilier, sich Charlottes Vater, Zuckerbaron Eli LaBouffe, machen zu können, der zu den Stammgästen in Tianas neuem Restaurant zählt. Sie selbst kennt die Wirkung der Tinktur nicht. Auch muss sie darauf verzichten, weiter mit Naveen anzubändeln, der ebenfalls jede Erinnerung an ihr gemeinsames Abenteuer als Frösche verloren hat. Doch sie ist gewillt, jeden Preis zu zahlen, um nur ihren Vater wieder an ihrer Seite haben und gemeinsam mit ihm jeden Abend die High Society New Orleans‘ bekochen zu dürfen! Doch nachdem dieser Deal fast ein Jahr Bestand hat und sich erneut der Mardi Gras nähert, wird die scheinbare Idylle von mysteriösen Vorkommnissen getrübt: Tianas Freunde verhalten sich merkwürdig und bringen Geschehnisse des letzten Jahres in ihrem Gedächtnis durcheinander, einige verschwinden sogar; der Hafen von New Orleans wird von einem seltsamen, grünlichen Algenbefall heimgesucht; ein Picknick fällt ins Wasser, als eine Insektenplage dazwischenfunkt; und ein seltsamer Nebel verdichtet sich in den Straßen.
Könnte der Schattenmann dahinterstecken, der weiter aus dem Hintergrund seine Intrigen spinnt? Oder ist irgendetwas an dem Deal von Anfang an faul gewesen? In jedem Fall ist klar, dass Tiana nach dem Rechten sehen muss – also bricht sie gemeinsam mit Lottie, Louis und Naveen zu einer kleinen Reise auf. Denn die einzige Person, die vielleicht helfen kann, wohnt weit draußen im Bayou …
„Bel dan pa di zanmi: Wenn jemand dich anlächelt, heißt das nicht, dass er dein Freund ist“
Auch mit Der verzaubernde Magier wurde wieder ein holprig klingender und nichtssagender deutscher Titel gewählt, obwohl das englische Original sich klar an einem der Songs aus dem Originalfilm orientiert. Dies ist allerdings zum Standard der „Twisted Tales“-Reihe geworden, in welcher Alternativgeschichten zu Disneys Zeichentrickklassikern erzählt werden. Für Der verzaubernde Magier zeichnet sich Farrah Rochon verantwortlich, die bislang erst einen weiteren (auf Deutsch noch nicht veröffentlichten Teil) der Reihe schreiben durfte. Diesmal entführt es uns in das magisch angehauchte New Orleans, das 2009 Schauplatz von Küss den Frosch war – gewissermaßen eine kleine Hommage an Walt Disney selbst, der von der Stadt am Mississippi zu Lebzeiten stets sehr begeistert war und ihr auch deswegen einen eigenen Bereich in seinen Themenparks widmete. Trotz seiner Qualitäten läutete der Film damals leider das Ende der Ära des klassisch 2D-animierten Zeichentrickfilms ein. Der verzaubernde Magier setzt gegen Ende des Originals an, nachdem Tiana kurz davor ist, Dr. Facilier zu besiegen und dieser einen letzten verzweifelten Versuch startet, einen Deal mit ihr einzugehen. In diesem Buch lässt sie sich nach eisernen Verhandlungen über die Details tatsächlich auf seine Seite ziehen und beginnt damit eine neue Story. Wie schlägt sich diese im Vergleich zum Film und mit anderen Teilen der Reihe?
„Kote ki gen dife a, gen dlo tou: Wo Feuer ist, da ist auch Wasser“
Farrah Rochon, Verfasserin einiger YA-Romance-Bücher, stammt selbst aus Louisiana und war damit die passende Wahl für Der verzaubernde Magier. Obwohl nicht sorgfältig lektoriert, gelingt ihr eine atmosphärische Darstellung der Welt von Küss den Frosch, die auch in der deutschen Fassung von Carlotta Ingwersen größtenteils erhalten bleibt. Da das Buch sich an eine recht junge Zielgruppe richtet, kann man den gelegentlich etwas platten und flapsigen Stil verschmerzen. Besonders lobenswert ist Rochons Entscheidung, ihre Hauptfiguren als Mensch wirken statt sie einen Großteil der Geschichte in Froschgestalt rumhüpfen zu lassen, was an häufig geäußerter Kritikpunkt am Original gewesen ist.
„Tout laprivè gen amen: In der Welt hat alles, was anfängt ein Ende. Alle Gebete haben ein Amen“
Leider beginnt der Plot eher zäh und undurchsichtig. Die Konditionen des Deals mit Facilier sind unnötig kompliziert, Tiana büßt aufgrund ihrer Entscheidung im Rahmen der Handlung einige der seinerzeit im Film gesammelten Sympathiepunkte ein, und einige Szenen wirken belanglos und wiederholen sich zu oft. So können weder Story noch Figuren ihren vollen Charme ausspielen. Auch die Anleihen an die tatsächlichen Gepflogenheiten und die Religion des Voodoo in New Orleans und Umgebung sowie hier und da ein Schuss Sozialkommentar sind zwar lobenswert und bereichernd, aber leider nicht konsequent genug eingebaut (dies liegt vielleicht eher an Vorgaben des Disney-Konzerns statt an der Autorin selbst). Dadurch, dass der rote Faden nicht stärker herausgearbeitet wird, geht Potenzial verloren. Die Geschichte nimmt jedoch ab der zweiten Hälfte an Fahrt auf, wenn Tiana sich mit ihren Freunden auf den Weg macht, seltsamen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen. Dieser Trip ist ein ähnlich mitreißendes Abenteuer wie jenes, das man im Film erleben durfte, und auch wenn der Schluss nicht gänzlich sitzt, so komplementiert das, was Tiana am Ende lernen und entscheiden muss, doch auf anrührende Art und Weise ihre Entwicklung aus dem Original.
Fazit
Der verzaubernde Magier bleibt leider wieder etwas hinter stärkeren Vertretern der „Twisted Tales“ zurück, da die einzelnen Elemente sich nicht immer stimmig zusammenfügen und der Charme des Originals nur stellenweise eingefangen wird. Trotz Schwächen bietet das Buch aber für Fans eine halbwegs interessante Alternativgeschichte mit spannender Prämisse und ein paar Highlights. Wer der Reihe seit der ersten Stunde gefolgt ist, wird daher auch an diesem Band nicht vorbeikommen.
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