Und zwischen uns ein Ozean aus Schweigen

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  • Erschienen: April 2024
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übersetzt von Claudia Max; Hardcover, 480 Seiten

ISBN: 9783570166697

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Alexandra Fichtler-Laube
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Jugendbuch-Couch Rezension vonApr 2024

Die eigene Geschichte finden

Was Geschwisterbeziehungen angeht, das können Maybelline und Danny. Die beiden sind ein Herz und eine Seele, sie verstehen sich blind und sind immer füreinander da. Das hilft May besonders in der Beziehung zu ihrer Mutter, die bestenfalls als unterkühlt zu bezeichnen ist und von Missverständnissen und enttäuschten Erwartungen geprägt ist. Danny ist der Kleber, der „gute“ Junge, der sportlich ist, freundlich, schlau und sich auf dem besten Wege in eine glanzvolle Zukunft auf einer der begehrtesten Universitäten des Landes befindet - bis er sich das Leben nimmt und das Leben von May und ihren Eltern bis ins Tiefste erschüttert wird.

Zusätzlich zur Trauer unterstellt während einer Schulversammlung ein wohlhabender Vater eines Mitschülers, dass der Leistungsdruck, den asiatische Eltern bekanntermaßen ihren Kindern aufbürden würden, der Hauptgrund für die sich unter Teenagern häufenden Suizide sei. Und dass dieser Leistungsdruck auch weißen Kindern schade. May ist schockiert, während sich ihre Eltern wieder zurückziehen. Sie fürchten die Aufmerksamkeit, die eine öffentliche Reaktion mit sich bringen würde.

„Die Quintessenz lautet, dass die Weißen schon immer die Macht hatten, die Geschichten zu kontrollieren, die ihre Systeme aufrechterhalten.”

In den kommenden Monaten beschäftigt sich May nicht nur mit ihren Vorwürfen sich selbst gegenüber, Dannys Stimmungsschwankungen und seine Ängste nicht wahrgenommen zu haben und ihrer Trauer.

Auch der Vorwurf des Mannes, dessen eigene Privilegien und Einfluss auf die Zukunft der jungen Menschen ihm passenderweise immer wieder entfallen, wiegt schwer. May entschließt sich zur öffentlichen Antwort. Es entsteht ein Schlagabtausch, der nicht nur ihre eigene Familie spaltet, sondern auch sichtbar werden lässt, welche Narrative sich wiederholen und in Bezug auf die Schwarze Gemeinschaft der Schule auch immer wieder gegeneinander ausgespielt werden.

May beginnt, sich selbst weiterzubilden. Denn nicht nur sie ist von Rassismus betroffen, sondern auch ihre beste Freundin, deren Situation als Tochter von Migranten aus Haiti May selbst lange Zeit nicht bewusst war.

Mitten in diese mannigfaltigen Gefühlswirrungen schaltet sich zusätzlich auch noch die Liebe ein.

Ein emotionales und wichtiges Jugendbuch

Aus einem unerwarteten Selbstmord, der weitere Themen rund um psychische Gesundheit, gesellschaftliche Erwartungen und die Vorwürfe, die sich Angehörige machen, miteinschließt, entwickelt sich eine Geschichte, die Geschichte neu erzählt und sie erweitert.

May will Dannys Tod nicht von Rassismus vereinnahmen lassen. Die Reaktion der Eltern, sich lieber wegzuducken, kann sie verstehen, aber nicht akzeptieren. Zusätzlich engagiert sich ihre beste Freundin Tiya schon länger für die Belange Schwarzer Schüler*innen und fordert auch May auf, Stellung zu beziehen. Tatsächlich schafft es May ganz viele Stimmen zusammenzutragen, die von den unterschiedlichen Erfahrungen mit Stereotypen und rassistischen Vorurteilen erzählen. Darunter fallen natürlich auch die unterschiedlichen Erwartungen, denen gegenüber sich Mädchen und Jungen wiederfinden und die verschiedenen Lebensausgangssituationen abhängig vom Einkommen der Eltern.

Ganz besonders spannend und bereichernd sind die zusätzlichen Informationen rund um die Geschichte von asiatischen Einwanderern in die USA, ihre Ausbeutung durch das kapitalistische System der Weißen, ihre Kämpfe untereinander und das gegeneinander Ausspielen der Immigranten, um die eigenen Positionen nicht zu gefährden.

May und ihre Mitstreiter*innen stellen ihren Unterricht infrage, denn viele Positionen und historische Begebenheiten werden einfach nicht erzählt und stehen somit gar nicht erst für ein informiertes und gleichberechtigtes Miteinander zur Verfügung. Hier werden also wahnsinnig vielschichtige Themen angesprochen, die ungemein aktivierend und tiefgehend besprochen werden.

Neben all den schweren Themen kann man sich aber auch an den humorvollen und schlagfertigen Dialogen erfreuen und eine zarte Liebesgeschichte findet hier auch ihren Platz.

Fazit

Dieses Jugendbuch öffnet durch die Perspektivenpracht reihenweise Horizonte und bietet einen wertvollen Beitrag zur Bildung einer eigenen rassismuskritischen Meinung.

Und zwischen uns ein Ozean aus Schweigen

Joanna Ho, cbj

Und zwischen uns ein Ozean aus Schweigen

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