How to Make Friends with the Dark
- Sauerländer
- Erschienen: Oktober 2023
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übersetzt von Maren Illinger; Broschur, 463 Seiten
ISBN: 9783737372657
Was passiert, wenn du in der Dunkelheit landest und trotzdem weitermachen musst
Es waren immer sie zwei, Tiger und ihre Mutter June: ein Dreamteam aus Mesa Luna in Arizona. Tigers Mutter fällt es jedoch schwer, ihrer Tochter Freiräume zuzugestehen. Hobbys, Partys, Jungs - das alles ist für Tiger nicht möglich. Hin und wieder nervt sie Junes übertriebene Mütterlichkeit und Fürsorge. So wie an dem Tag, an dem ihre Mutter ihr ein scheußliches Ballkleid aussucht und ein Telefonat in einen Streit ausartet. Es ist jedoch nicht nur ein Telefonat, sondern das letzte. Kurz darauf stirbt June Tolliver an einem Hirn-Aneurysma.
Mit dem Tod ihrer Mutter ist für Tiger eine neue Zeitrechnung angebrochen. Es gibt ein Davor und ein Danach. Die alte Tiger ist gegangen, die neue Tiger kann nichts mehr essen und sieht es als ihre Pflicht an, das Ballkleid zu tragen. Rund um die Uhr, egal wie sehr es stinkt und wie viele Leute sie darauf hinweisen. Von nun an ist es ihr Rettungsanker. Sie kann sich nicht davon trennen und sieht es als ihre Pflicht an, den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen.
„Warum kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen, verdammt?“
Es ist dieser eine Satz, den Tiger ihrer Mutter in ihrem letzten Telefonat entgegen geschleudert hat. Frustriert von Junes Übervorsichtigkeit und getrieben von der Hoffnung, ein normaler Teenager zu sein. Niemals hätte Tiger gedacht, dass es das letzte Mal ist, und niemals wollte sie ihre Mutter auf diese Weise verabschieden. Die Selbstvorwürfe machen sie fertig. Was ist, wenn ihre Mutter einen Sekundenbruchteil vor ihrem Tod an diesen Satz dachte? Wie allein hat sie sich wohl gefühlt?
Gebrochen von ihren Schuldgefühlen und der Trauer weiß Tiger im wahrsten Sinne des Wortes nicht wohin mit sich. Denn mit dem Tod ihrer Mutter hat sie auch ihr Zuhause verloren: Es gibt keine entfernten Verwandten, die sich um sie kümmern könnten, und über ihren Vater wollte June nie sprechen. Also ist ab sofort der Staat Tigers Vormund, was den Beginn einer düsteren Odyssee bedeutet.
„Eltern sollten ihre Kinder nicht schlagen und ihnen den Rücken brechen oder sie in Hundekäfige sperren oder sie in Pappkartons neben dem 7-Eleven leben lassen, aber sie tun es.“
Die erfolgreiche Autorin Kathleen Glasgow („Girl in pieces“) gibt mit Tigers Geschichte so vielen Kindern eine Stimme, deren Eltern sich nicht mehr um sie kümmern können oder wollen. Kinder, die, genau wie Tiger, von Pflegeeinrichtung zu Pflegeeinrichtung gereicht werden. Trauma, Trauer und Verlust gepaart mit einer zunehmend verblassenden Hoffnung auf ein anderes Leben. Fast eine halbe Million Kinder leben in den USA in einer Pflegeeinrichtung und 2,5 Millionen Kinder sind dort obdachlos.
Tiger realisiert schon bald, dass sie mit ihrer Mutter viel Glück gehabt hat. Denn sie wurde bedingungslos geliebt. Anders als viele Kinder und Jugendliche, die sie nun kennenlernt. Es sind Kindheiten, die von psychischer und physischer Gewalt, dem Drogenkonsum ihrer Eltern oder dem Gefühl der Zurückweisung geprägt sind. Wie Thaddeus, der nach seinen Gewalterfahrungen keine Umarmungen mehr ertragen kann. Oder die kleine Sarah, deren Schwester von einem Mann in Pflege genommen, sie selbst aber mit einer Dose Cola und Chips zurückgelassen wurde.
Ein Licht am Horizont, oder?
In all den Wirren zwischen Sozialarbeiter*innen, Pflegepersonen und traumatisierten Kindern scheint es für Tiger plötzlich Hoffnung zu geben: Ihr Vater wurde gefunden und lebt. June wollte nie über ihn sprechen, obwohl Tiger es sich gewünscht hätte. Schließlich muss sie doch wissen, wer für ihr Aussehen und ihre kulinarischen Vorlieben verantwortlich ist. Doch so einfach ist es dann doch nicht, denn es gibt ein Problem: Tigers Vater sitzt im Gefängnis. Allerdings hat er eine weitere Tochter, Sheyna, die sich bereit erklärt, für Tiger zu sorgen. Von nun an gibt es wieder ein Team, wenn auch kein Dreamteam, denn Sheyna ist nur vier Jahre älter und hat ihre eigenen Päckchen zu tragen…
Dieses Jugendbuch ist in keinster Weise eine leichte Kost oder eine Geschichte, die man nebenbei liest. An vielen Textstellen hat man mindestens einen Kloß im Hals, da das Beschriebene und die Stimmung bedrücken, schockieren und manchmal regelrecht wütend machen. Trotz all der Trauer, die keine leere Hülse, sondern authentisch und echt ist, blitzt zwischendurch immer mal wieder etwas auf, das wie Hoffnung anmutet.
Fazit
Eine Geschichte, die man nicht so schnell vergessen kann. Sie ist traurig und schwer zu ertragen, aber leider sehr nah dran am Leben. Denn nicht alle Kinder haben das Glück, wohlbehütet aufwachsen zu können.
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