Ein etwas anderes Buch über Trauer und Verlust, welches den Fokus leider hin und wieder verliert
Seit dem Tod seines Freundes Daniel lebt Eric in einem „Dazwischen“ - davor war alles anders und für das Danach ist er noch nicht bereit. Doch dann trifft er auf Haru, den er vor einigen Monaten auf der Japanreise mit Daniel kennengelernt hat. Bei ihm fühlt sich Eric verstanden und geborgen. Allerdings gibt es ein Problem: Die anderen Menschen um sie herum können Haru nicht sehen. Immer wieder verschwindet Haru, um kurz darauf wieder aufzutauchen. Obwohl Eric weiß, dass er vermutlich nur eine Einbildung ist, kann er Haru nicht loslassen…
Stück für Stück kämpft Eric sich ins Leben zurück. Aber auf der Suche nach einem normalen Alltag zwischen Collegebewerbungen, Nebenjobs und seinem Hobby, dem Filmen, wird er immer wieder von den Dämonen der Vergangenheit eingeholt. Selbst Haru kann ihn nicht aus allen Situationen retten. Auch der baldige Weggang seiner Schwester Jasmin nach Europa bricht Eric das Herz. Verzweifelt weiß er langsam nicht mehr, wie er den Kreislauf aus Einsamkeit und Trauer durchbrechen soll.
Ein Auf und Ab der Gefühle: „Noch vor einer Minute fühlte ich mich, als würde die Welt über mir einstürzen. Plötzlich bin ich wieder in Tokio und erlebe den schönsten Sommer meines Lebens.“
Das Debüt „Bleib bei mir, Sam“ des US-amerikanischen Autors Dustin Thao ist gleich auf den internationalen Bestsellerlisten gelandet. Große Gefühle, Melancholie und Trauer prägen nun auch das zweite Buch. Ein Merkmal der Geschichte ist ihr Vor und Zurück. Rückblenden, Erinnerungsfetzen und Träume sind mit der Gegenwart verwoben. Die Handlung setzt einige Zeit vor Daniels Tod ein. Eric ist 19 Jahre alt und wohnt mit seiner Familie in einem Vorort von Chicago. Von Anfang an kann man sein Schwärmen für Daniel nahezu spüren. Dabei sind die beiden schon verschieden: Während Eric sich eher abseits großer Gruppen aufhält und Romantik sowie Zweisamkeit liebt, würde Daniel gerne öfter ins Partyleben eintauchen und spricht nicht gerne über tiefergehende Gefühle. Beim Lesen steht manchmal die Frage im Raum, ob die beiden nun ein Paar sind oder nicht. Anscheinend ist dies aber auch für Eric nicht immer klar gewesen.
Die erste Begegnung mit Haru findet in Japan statt, das er zusammen mit Daniel bereist. Als Eric eines Tages alleine Tokio erkundet, trifft er auf den eindrucksvollen Haru. Sie sind beide fasziniert voneinander und verbringen einen unvergesslichen Tag, wie aus dem Bilderbuch. Unvorstellbar und unrealistisch ist nun auch, dass genau dieser Haru knapp ein Jahr später nun plötzlich vor Eric steht. Diese und folgende Szenen wirken schon sehr konstruiert und kitschig. Zumal die Tatsache, dass andere Menschen Haru nicht sehen können, zwar besprochen wird, aber nicht ganz zu Ende gedacht scheint. Sehr oft umarmt Eric ihn in der Öffentlichkeit, aber kommentiert wird dieses seltsam anmutende Bild von niemandem.
Obwohl der Titel es suggeriert, geht es nicht die ganze Zeit um die Beziehung von Eric und Haru, welche übrigens zwischen Freundschaft und Liebe schwankt. Vielmehr geht es um Erics Vergangenheitsbewältigung und seinen Weg in eine optimistischere Zukunft. Leider hat man an vielen Stellen das Gefühl, dass Handlungsfäden entgleiten, denn es geht im Grunde genommen um den Verlust von drei Menschen: Daniel, Haru und Jasmin, Erics Schwester. Sie alle verlassen Eric auf ihre Weise. Durch die Zeitsprünge und die Vermischung von Realität und Traum treten diese Figuren immer wieder in den Hintergrund, um dann im nächsten Kapitel wieder im Mittelpunkt zu stehen. Dies mag beim Lesen manchmal etwas verwirren. Ein gehöriger Plot-Twist ist dem Autor jedoch am Ende des Buches gelungen. Auch wenn dieser ebenfalls ein bisschen überfrachtet wirkt, sollten Taschentücher bereitgelegt werden. Denn das kann niemanden kalt lassen.
Obwohl manches in der Umsetzung nicht ganz überzeugend wirkt, ist die Idee hinter Erics Geschichte durchaus besonders. Denn unsere Fantasie spielt im Erwachsenenalter viel zu selten eine Rolle, obwohl sie doch häufig in uns schlummert. Wer malt sich nicht hin und wieder ein Zukunftsszenario aus oder denkt darüber nach, was gewesen wäre, wenn… Erics Fantasiefiguren leben mit ihm zusammen, erleben seinen Alltag und geben ihm vor allem eines: die Kraft weiterzumachen, auch wenn der Weg allzu steinig erscheint.
Fazit
Wem die Atmosphäre des Debütromans gefallen hat, kann sich auch mit Erics Geschichte anfreunden. Über ein paar Schwächen muss man allerdings hinwegsehen.
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