Genesis Rebooted

  • dtv
  • Erschienen: September 2024
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Broschur, 192 Seiten

ISBN: 9783423741156

Genesis Rebooted
Genesis Rebooted
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Sabine Bongenberg
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonOkt 2024

Ein bedrückendes Rätsel

„Ich bin Rafael und ich bin sechzehn Jahre alt“ - viel mehr weiß Rafael Meister zu Beginn seiner Erzählung tatsächlich nicht von sich zu berichten. Möglicherweise wurde er entführt und wird jetzt gefangen gehalten. Möglicherweise wurde er aber auch „gerettet“. Aber wovon oder vor wem - Rafael weiß es nicht. Langsam aber fallen ihm einige Dinge wieder ein: Er lebte mit seinem Vater und seinem kleinen Bruder Yannis in Berlin und irgendwer sprach ihn auf der Straße an und fragte ihn, ob er an einem psychologischen Experiment teilnehmen wollte. Das wäre besser bezahlt als seine bisherigen Ferienjobs und auf eine weite Reise ginge es zusätzlich, sollte das Experiment doch auf den Salomonen im Südpazifik durchgeführt werden. Das alles wäre doch eine tolle Sache - insbesondere für einen Jungen, der noch nie so richtig von zuhause weg war. Aber jetzt sitzt er hier fest und irgendwie scheint die ganze Sache doch wesentlich länger zu gehen als die vorher angekündigten sechs Wochen. Anderen scheint es ähnlich zu gehen, denn Rafael findet immer wieder mysteriöse Botschaften, die ihn auffordern, schnell aus der Anlage zu verschwinden. Aber wie soll das gehen? Dennoch - Rafael hat seinem kleinen Bruder versprochen, wieder nach Hause zu kommen und dieses Versprechen will er unbedingt einhalten - koste es, was es wolle!

Einzelhaft in einer anonymen Uniform

Rafael, der hier als Ich-Erzähler über ein Tagebuch oder einen Computer-Log erzählt, erwacht wie aus einem tiefen Traum und genau wie der Leser weiß er erst einmal gar nichts von sich. Erst langsam tauchen Bruchstücke aus seiner Erinnerung auf - da war das Vorstellungsgespräch bei der Organisation „New Life“, die Probanden für ihr psychologisches Experiment suchte, da waren sein Vater und sein kleiner Bruder mit denen er in Berlin zusammenwohnte, die alltäglichen Fragen des Zusammenlebens und die Reise zu den Salomonen zusammen mit anderen. Alles begann, wie ein Ferienabenteuer und plötzlich verwandelte es sich in Einzelhaft und irgendwie ist alles aus der Balance geraten.

Reifenberg gelingt es meisterhaft eine gruselige Atmosphäre der Einzelhaft zu konstruieren. Was ist los mit Rafael? Warum trägt er gesichtslose, anonyme Kleidung? Warum sucht niemand nach ihm? Was ist mit den anderen, die neben ihm an dem Experiment teilnahmen? Es stellen sich immer mehr Fragen und wenn der Leser/die Leserin endlich meint, den Ich-Erzähler etwas besser zu kennen, dann passiert etwas Eigenartiges: Die Geschichte erfährt einen „Reboot“ und beginnt von vorne. Aber sie beginnt anders - Rafaels Erzählung ändert sich. Wichtige Punkte unterscheiden sich von der vorherigen Erzählung. Was bleibt ist einzig die Konstante aus seinem Familienleben - Vater und Bruder bleiben unverändert. Alles andere erscheint eigenartig variabel.

Können wir hier überhaupt noch raus?

Mit Rafael lernt der Leser verschiedene Aspekte seines Gefängnisses kennen. Nach einem Reboot ist es hier eigentlich gar nicht so schlecht - die Freizeitangebote sind spannend, Rafael, der Sportfreak kann jeden Tag seine Workouts durchführen. Aber selbst dann, wenn die Welt in der kleinen künstlichen Zelle in Ordnung zu sein scheint, scheint das „Draußen“ nicht der Fall zu sein. Die Rede ist von einem Lungenvirus, der sich rasend schnell verbreitete und einen bisher noch nie da gewesenen Todeszoll forderte. Aber was hat das mit Rafael und seinen neuen Freunden zu tun und wenn die Geschichte tatsächlich so schlimm ist - wer versorgt sie denn jetzt eigentlich mit allem, was sie brauchen? Es ist rätselhaft...

Mit fortschreitender Lektüre und neuen Reboots erzählt Rafael immer wieder neu aus seinem Leben. Vieles kommt doppelt oder dreifach vor, dennoch führt das wegen der kurz gehaltenen Einträge nicht zu Langeweile, sondern eher noch zu einer besonderen Aufmerksamkeit, wenn einmal klar wird, dass sich die Erzählungen in vielen Punkten unterscheiden. Es wirkt so, als wäre die Erinnerung überschrieben worden. Aber wie kann so etwas gehen? Werden Rafael doch Drogen verabreicht, die sein Denken verändern? Es ist rätselhaft ...

Mit dem letzten Kapitel offenbart sich die Lösung des Experimentes und für mich war das ein mächtiger Knaller. Nicht nur, dass die Fragen zu Rafaels Leben neu gedacht werden müssen, auch der Fortbestand der gesamten Menschheit wird zu einem Planspiel. Auch Rafael muss sich jetzt der alles entscheidenden Frage stellen: Will er weiter an dem Projekt beteiligt werden oder will er aussteigen und das mit allen Konsequenzen? Es ist unglaublich ...

Fazit

Frank Maria Reifenberg erzählt mit dem 16jährigen Rafael eine grandiose und angsteinflößende Geschichte über die mögliche Zukunft der Menschheit. Auch wenn sich einiges wiederholt, so ist allein die „Fehlersuche“ spannend und mit Rafael dürfen wir uns die Frage stellen, ob wir uns die schöne Zukunft tatsächlich so vorstellen.

Genesis Rebooted

Frank Maria Reifenberg, dtv

Genesis Rebooted

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