Dieses Sachbuch bringt die DDR-Geschichte allen ein Stück näher
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von heute können es sich kaum vorstellen, dass Deutschland vor ein paar Jahrzehnten noch aus zwei Staaten bestand. Geteilt in Ost und West, die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Für die Menschen bedeutete dies ein Leben in zwei vollkommen unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Systemen. Auch heute, 35 Jahre nach dem Mauerfall, sind gerade in Ostdeutschland die Folgen dieser Teilung noch immer spürbar. Jedoch sind erst durch das Begreifen historischer Zusammenhänge Rückschlüsse auf das aktuelle gesellschaftliche und politische Geschehen in Deutschland möglich.
Warum kam es eigentlich zur Gründung der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg? Wie sah der Alltag für die Menschen im Osten aus? Weshalb wollten so viele Bürgerinnen und Bürger die DDR verlassen und in die BRD flüchten? Mit welchen Maßnahmen wurden sie daran gehindert? Welche Rolle spielte das Ministerium für Staatssicherheit? Wie sah der Alltag von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in der DDR aus? Welche Folgen hatte die sozialistische Planwirtschaft für die Bevölkerung? Warum wurde der Druck auf die DDR-Regierung immer größer? Was hat es mit den Montagsdemonstrationen auf sich? Wie kam es zum Mauerfall und zur tatsächlichen Wiedervereinigung mit der BRD? Auf all diese Fragen und noch mehr findet man hier eine Antwort.
„Die Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen oder ein paar weniger oder eines Apparats oder einer Partei. Alle müssen teilhaben an dieser Macht.“
(DDR-Schriftsteller Stefan Heym in einer Rede vom 4. November 1989)
Mit der dritten Neuauflage kann man es schon fast als Tradition bezeichnen: Denn alle zehn Jahre, dieses Mal zum 35-jährigen Jubiläum des Mauerfalls, wird Susanne Fritsches Sachbuch über die DDR und die Wiedervereinigung neu herausgegeben. Die Autorin wuchs in den 1980er Jahren in Thüringen auf, erlebte damit als junges Mädchen das sozialistische System der DDR noch hautnah mit und vermengt in „Die Mauer ist gefallen“ subjektive Empfindungen mit objektiven Fakten. Tatsächlich ist dieser Titel gleichzeitig auch ihre damalige Diplomarbeit im Studiengang „Visuelle Kommunikation“ an der Bauhaus-Universität in Weimar gewesen.
Beeindruckend sind vor allem die zahlreichen Zeugnisse aus der DDR-Zeit, die es in diesem Sachbuch zuhauf gib: Fotos, DDR-Zeitschriften, Lieder der Jungpioniere, wichtige Zitate und Reden von Politikern und noch vieles mehr. Sie stellen eine Verbindung zwischen dem großen Weltgeschehen und dem normalen Alltag in der DDR dar. Als Zeitzeugin berichtet Susanne Fritsche von ihrer Zeit in der Pionierorganisation, der Schule und dem Familienleben. Alles ist durchdrungen vom Staat. Die Autorin schafft es, die subjektive Sicht auf ihre Vergangenheit mit den realen Fakten so miteinander zu vermengen, dass ein möglichst objektiver Blick auf die DDR-Geschichte gelingt.
Stück für Stück wird das System der sozialistischen Diktatur herausgearbeitet: die in der DDR-Verfassung manifestierte alleinige Vormacht der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die auf allen Ebenen vom Ministerium für Staatssicherheit (kurz: Stasi) durchdrungene Gesellschaft und der Umgang mit Bürgerrechtlern, Flüchtlingen und anderen Kritikern. Bei der Schilderung dieses ganz und gar undemokratischen Staates bekommen Meinungs- und Wahlfreiheit, Pluralismus sowie Menschen- und Grundrechte ihren, manchmal vergessenen, Wert neu zugeschrieben. Die Textabschnitte sind dabei stets wohldosiert, nie zu langatmig und ausschweifend und werden wunderbar ergänzt durch das spannende Bildmaterial. Besonders hilfreich sind die auf jeder Seite zu findenden Definitionen für Organisationen, schwierige Begriffe oder Abkürzungen bzw. Kurzbiographien von zentralen Persönlichkeiten.
Für die jüngere Generation mag heute unvorstellbar sein, wie es gewesen sein muss, in der DDR aufzuwachsen. Die Auflistung zahlreicher kurioser Fluchtversuche aus der DDR sorgt vermutlich bei vielen für eine Gänsehaut. Wie verzweifelt die Menschen sein mussten, um solch waghalsige Aktionen wie den Bau eines Heißluftballons, eines Tunnels oder präparierter Autos als letzte Option anzusehen. Doch auch viele Erwachsene werden vermutlich über neue Informationen, insbesondere zum DDR-Alltag stolpern. Als Einstieg in das Thema ist dieses Sachbuch daher bestens geeignet. Die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen der Autorin schaffen es bestimmt, bei den Leserinnen und Lesern ein noch größeres Interesse an der DDR-Geschichte und der deutschen Wiedervereinigung hervorzurufen.
Fazit
Auf den Punkt, informativ und gespickt mit autobiographischen Zügen ist eine spannende Zusammenfassung von der Gründung der DDR bis zur Deutschen Einheit entstanden, welche den Wert von wirklicher Demokratie nochmal aufs Neue hervorhebt.
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