Eine queere und kitschige Weihnachtsromance mit Tiefgang
Mit neuen Nachbarn ist das so eine Sache. Entweder hat man großes Glück oder die neue Familie ist einfach noch nerviger als die vorherige. Aber es gibt, so stellt Luis fest, darüber hinaus eine dritte Option: Man verknallt sich hoffnungslos in den Jungen von nebenan. Dima ist mit seiner Mutter ganz frisch nach Fountainbridge gezogen und das zur besten Zeit des Jahres: Weihnachten steht vor der Tür. Aber nein, hier ist es nicht mit ein bisschen Beleuchtung und Plätzchen backen getan. Die Adventszeit wird in Fountainbridge regelrecht zelebriert. Jeder Tag hat sein Motto, es wird mehr als kuschelig, romantisch und gemütlich, Schneeengel zieren die Straßen und heiße Schokolade gibt es an jeder Ecke.
Nur Dima kann mit dem Weihnachtshype wenig anfangen. Zumal er über ganz andere Sachen nachdenken muss. Seine Freundschaft mit Gabriel ist in die Brüche gegangen, weil dieser nicht mit seiner Homosexualität klarkommt. Doch ist Dima deswegen mit sich selbst überhaupt im Reinen? Und was hat es zu bedeuten, wenn sein Herz bei Luis Anblick wie wild schlägt? Zumal sein neuer Nachbar die Aufgabe, Dima einen Weihnachtscrashkurs zu geben, sehr ernst nimmt.
Dieses Buch kann man schon fast gar nicht ohne Kakao und Plätzchen genießen
Zugegeben, auf den ersten Seiten fragt man sich, ob das Setting wirklich ernst gemeint sein kann. Denn so viel Weihnachtskitsch überfordert schon fast. Aber schnell wird klar, dass Übertreibung auch ein wunderbares Stilmittel ist und die eigentlichen Themen sehr viel mehr Tiefgang versprechen. Zunächst erscheint die Erzählperspektive etwas ungewohnt. Zwar widmen sich die einzelnen Kapitel abwechselnd der Sicht von Luis und Dima, doch wird das Geschehen nicht aus der Ich-Perspektive wiedergegeben. Mit dem personalen Erzähler gilt es ein bisschen warm zu werden, damit keine allzu große Distanz zu den Figuren entsteht. Auf der anderen Seite macht es den Schreibstil sehr besonders.
Zwischen Luis und Dima ist die Sache schnell klar: Die beiden mögen sich und es beruht definitiv auf Gegenseitigkeit. Luis traut sich zum ersten Mal nach der Trennung von Thom an eine neue Beziehung zu denken. Doch Dima hat mit seiner eigenen Homosexualität zu kämpfen. Jedoch nicht mit der Tatsache, dass er auf Jungs steht, sondern mit dem Outing und der Rolle, in die man von der Gesellschaft seiner Ansicht nach gedrängt wird. Außerdem leidet Dima sehr unter dem Bruch mit seinem besten Freund Gabriel und dessen homophobem Auftreten. Ein queerer Coming-of-Age-Roman, der der heteronormativen Weihnachtsromantik etwas entgegensetzen will - so könnte man die Story umschreiben. So setzen sich Luis und seine Freunde Alec und Hannah neben allen Liebesdramen nicht zuletzt vehement für genderneutrale Toiletten an ihrer Schule ein und wollen der Kleinstand insgesamt gerne einen bunteren Anstrich verleihen.
„Ich sollte gehen. Meine Großmutter wartet auf mich, damit wir Drei Haselnüsse für Aschenbrödel sehen können.“
Super-kitschig - das trifft auf die Kleinstadt Fountainbridge definitiv zu. Die Einwohnerinnen und Einwohner sind absolut besessen von Weihnachten und haben einen festen Plan an Aktionen, die sich niemand freiwillig entgehen lässt: ein Nussknacker-Wettbewerb, ein Bücher-Blind-Date, Eisbaden, das große Lebkuchen-Fastenbrechen oder ein weihnachtlicher Karaokeabend. Einerseits könnte man diesen Roman also als Weihnachtsromance schlechthin bezeichnen und läge damit in gewisser Weise richtig. Doch eines ist er sicher nicht - oberflächlich. Neben den vielen queeren Figuren ist es wunderbar zu sehen, dass nicht die klassische Vater-Mutter-Kind(er)-Familie unter dem Baum sitzt. „Familie“, das sind natürlich auch Dima und seine alleinerziehende Mutter. Oder Luis, der seine Mutter nie kennengelernt hat und mit verschiedensten Generationen unter einem Dach wohnt.
Neben all den inhaltlichen Aspekten ist es außerdem sehr angenehm, mal wieder einen Young-Adult-Titel in den Händen zu halten, der sich an die jüngere Zielgruppe richtet. Zwischen den vielen New-Adult-Romanen, deren Figuren bereits das College besuchen, setzt „Luis & Dima“ etwas weiter oben von der Altersgrenze her an. Sehr erfrischend - und gemütlich natürlich.
Fazit
Zu diesem Buch sollten standardmäßig eine heiße Schokolade, Kekse und eine warme Decke gehören. Ein absoluter Weihnachtsroman, der jedoch nicht unterschätzt werden darf.
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