Das Buch will mehr als es geben kann
Vassar kann nicht fassen, dass ihre Eltern es ihrer Grandma Gerd erlauben, sie auf eine Reise quer durch Südostasien mitzunehmen. Bei einem Telefonat belauscht sie, dass es um Erpressung geht. Doch was ist das große Geheimnis? Vassar bleibt nichts anderes übrig, als nach Malaysia zu fliegen und dem Rätsel auf die Spur zu kommen ...
„Ich, Vassar Spore, bin ein wissenschaftliches Experiment.“
Für die Familie Spore muss alles durchgeplant sein. Diese minutiöse Planung ihres Lebens gibt Vassar darin Sicherheit, was sie tun muss, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre Eltern haben es ihr perfekt vorgelebt: durchgetakteter Tag, große Ziele setzen, und kommt mal etwas anders als erwartet, das Möglichste tun, um nicht in Panik zu geraten.
Nicht nach Plan läuft es, als Grandma Gerd aus Südostasien anruft. Sie hat Vassar per Post ein Flugticket nach Malaysia zum Geburtstag geschenkt, um mit ihr das Land sowie Kambodscha und Laos zu bereisen – für die Spores eine Katastrophe! Grandma Gerd ist impulsiv und sehr unzuverlässig. Als das schwarze Schaf der Familie, reicht bereits jener eine Anruf von ihr aus, um allen Schnappatmung zu bereiten. Daher ist der erste Impuls auch, die Reise dankend abzulehnen. Doch Grandma Gerd hat ein Geheimnis in der Hinterhand und erpresst Vassars Eltern damit.
So kommt es also, dass Vassar in Malaysia landet. Sie hat sich fest vorgenommen, über die Reise ein Buch zu schreiben, um ihre Englischnote zu verbessern. Vor allem will sie aber auch herausfinden, was es mit dem großen Geheimnis auf sich hat. Daher hat Vassar einen Plan aufgestellt, es aufzudecken. Früh genug muss sie jedoch lernen, dass Pläne und Grandma Gerd nicht zusammenpassen. Giftige Tausendfüßer, einen tiefen Dschungel und eine Herde rasender Kühe später wird sich zeigen, aus welchem Holz die Spores wirklich geschnitzt sind. Und vielleicht schiebt sich sogar noch eine kleine Liebesgeschichte dazwischen …
Wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht
Beworben wird das Buch als „Carlsen-Klassiker“, denn erstmals in Deutschland wurde es bereits 2015 aufgelegt. Jetzt war ich neugierig, was es mit diesem Buch in nunmehr frischer, moderner Aufmachung auf sich hat. Vassar Spore lernt man direkt als fröhliche Jugendliche kennen, die einen großen Ehrgeiz an den Tag legt. Ihre Eltern haben Großes mit ihr vor – schließlich haben sie ihre Tochter nach einer berühmten Universität in New York benannt. Doch Vassar scheint nicht unter großem Druck zu stehen. Auch hat sie gute, witzige Freundinnen, die ihr immer den Rücken stärken. Die Geschichte fängt also vielversprechend an, und auch die humorige Seite der Autorin kommt schnell durch.
Dann geht es jedoch steil abwärts, als Vassar nach Südostasien reist. Mich störte viel zu sehr, dass das Buch versucht hat, einen lebensbejahenden Anspruch zu haben, eben nach dem Motto: Carpe Diem – Nutze den Tag! Das war jedoch überhaupt nicht der Fall. Vassar stolperte von einer unangenehmen Situation in die nächste, die meisten selbstverschuldet (und, wenn man ehrlich ist, ziemlich dumm); Grandma Gert sollte wohl als schrullige Alte rüberkommen, was aber nur semigut funktioniert; und der Love Interest und Möchtegern-Cowboy Hank konnte überhaupt nicht bezaubern. Man merkt schon: Ich habe große Probleme mit den Protagonisten gehabt. Schade, denn am Anfang war Vassar authentisch und witzig.
Auch die Geschichte an sich bleibt flach: Das große Geheimnis ist von Anfang an offensichtlich und daher keine Überraschung. Die Liebesgeschichte zwischen Vassar und Hank entsteht sehr plötzlich; wie aus dem Nichts kommt Vassar die Erkenntnis, dass sie verliebt ist. Und auch die Wandlung von der planungsorientierten Jugendlichen zum Freigeist baut sich nicht sinnvoll auf.
Schade, dass eine so vielversprechende Geschichte irgendwann so abgeflacht ist. Immerhin haben die E-Mails der Freundinnen zwischendurch für Erheiterung gesorgt. Und dass das Buch so gut angefangen hat, darf natürlich auch nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Fazit
Schreibtechnisch hat die Autorin viel Talent. Zwischendurch kommt immer wieder ihr Humor durch, der zumindest etwas erheitern kann. Ansonsten ist die Geschichte leider flach und zusammenhanglos. Der große Carpe-Diem-Moment will sich nicht einstellen.
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