Und dazwischen irgendwo wir

  • Arctis
  • Erschienen: August 2024
  • 0

Hardcover, 464 Seiten

ISBN: 9783038800941

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Kathrin Walther
8101

Jugendbuch-Couch Rezension vonMär 2025

Ein vielschichtiger Roman, dem es gelingt, sonst eher schwierige Themen anzusprechen

Nach außen wirkt Vincent Summers super selbstbewusst. Er ist Schulsprecher an der renommierten Privatschule Hillburn Secondary, seine Uniform wird von zahlreichen Auszeichnungen geschmückt, die er für sein Engagement in den verschiedensten Gremien bekommen hat, und selbst Aufgaben, wie das Halten der Schulsprecherrede vor der gesamten Schülerschaft stellt für ihn kein Problem dar. Lernen ist jedoch nicht ganz so sein Ding, weswegen er sich seinen Weg in die Uni lieber auf diese Weise öffnet.

Dass es noch einen anderen Vincent gibt, weiß nicht mal er selbst richtig und bisher klappte es auch ziemlich gut, seine Herkunft auszublenden. Als kleines Kind kam er mit seiner Mutter nach Schottland, ließ seine Heimat, seinen Vater und die restliche Familie in Indien zurück und aus Kierat wurde Vince, wofür sich seine Mutter alle Mühe gab. Seine eigentliche Sprache und Kultur sind ihm mittlerweile fremd und seitdem seine Mutter plötzlich spurlos verschwand und sein neuer Stiefvater aufgrund seiner vielen Geschäftsreisen kaum noch Bedeutung für seinen Alltag hat, bringt eine mysteriöse Geschichte sein Leben völlig durcheinander.

Auch Maceys Leben ist seit einiger Zeit nicht mehr so, wie es einmal war. Ihre Mutter hat Krebs, unheilbar und wird sterben. Für Mace, wie sie meistens genannt wird, unvorstellbar, denn bisher kennt sie es eigentlich nicht, etwas nicht unter Kontrolle zu haben. Ihr Traum ist es, später Karriere zu machen, vielleicht Professorin für Mathematik in Cambridge zu werden, wofür sie eigentlich rund um die Uhr lernt. Auch wenn ihr die Aufnahme dort sicher ist, ist es nun ihr Ziel, einen Mathematikwettbewerb zu gewinnen, um zusätzlich noch ein Stipendium zu erhalten, da ihre Familie sie finanziell nicht unterstützen kann. Sie möchte den Traum ihrer Mutter, in Schottland erfolgreich zu sein, unbedingt umsetzen, denn auch sie hat einen Migrationshintergrund, ihre Eltern kommen aus  Nigeria. Anders als Vince hat sie jedoch Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen in der Nähe, eine weitere Community befindet sich in London und ihre Kultur wird im Alltag weiter gelebt. Genau wie Vincent geht sie auf die Hillburn Secondary, wobei sie ihren Stammplatz in der Bibliothek eigentlich nur für den Unterricht verlässt und wenig Kontakt zu ihren Mitschülern pflegt.

Auf den ersten Blick haben die beiden nur wenig gemeinsam. Davon, dass sie jahrelang beste Freunde waren, Vincent bei den Adenugas ein- und ausgegangen ist und sie zusammen die Gegend unsicher gemacht haben, ist nichts mehr übrig geblieben und es besteht trotz gleicher Schule Funkstille. Doch dann erhält Vincent rätselhafte Mails mit einer Geschichte, bei deren Protagonisten Kierat und Maki es sich unzweifelhaft um ihn und Macey handeln muss, weswegen Vincent den Kontakt zu Macey neu aufleben lässt. Ob sie dem anonymen Autor gemeinsam auf die Spur kommen und das Rätsel um die Geschichte lösen werden? Wenn da nicht auch noch ihre verlorene Freundschaft, neue Freunde, die Suche nach Vincents Identität und Maceys Verdrängung der Erkrankung ihrer Mutter wären…

Vergangenheit und Zukunft

Dass Diversity eine große Bedeutung für sie hat, zeigt sich nicht nur in Amani Paddas Roman „Und dazwischen [irgendwo] wir“. Auch in ihrem „echten“ Leben engagiert sich die Autorin für ehrenamtliche Projekte aus diesem Bereich. Man merkt, dass sie als Deutsche mit Wurzeln, die sowohl nach Schottland als auch nach Indien reichen, Erfahrung mit diesem Bereich hat und die Probleme, mit denen ihre Protagonisten hadern, nicht nur aus Büchern kennt.

Doch nicht nur Macey und Vincent haben ihr Päckchen zu tragen und müssen sich für die Zukunft mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Auch die Nebencharaktere geben der Handlung Tiefe und Vielschichtigkeit. Da wäre zum einen Rin, ein Transmädchen, dass nach außen immer tough wirkt und gerne für Chaos sorgt, sich dann jedoch als absolut zuverlässige Freundin zeigt. Auch Charlie, der mit der Scheidung seiner Eltern und deren neuen Familien hadert, Dani, die aus reichem Hause kommt und scheinbar keine Probleme hat oder Femi, Maceys Cousin, der trotz bester Schulnoten die Uni aus psychischen Gründen nicht schafft, zeigen, dass es hinter der Fassade der Menschen oft ganz anders aussehen kann, als es nach außen wirkt.

Dadurch, dass Amani Padda ihren Roman weitestgehend abwechselnd aus den Perspektiven von Vincent und Macey schreibt, kann man die Gefühle, Sorgen und Gedanken der beiden miterleben und ist ganz nah an den beiden dran und kann den Prozess, in dem sie sich Schritt für Schritt wieder einander annähern, hautnah miterleben. Dass sie eigentlich auf der Suche nach dem Autor der mysteriösen Geschichte sind, in der sie die Hauptfiguren sind, zieht sich zwar als roter Faden durch den ganzen Roman, rückt stellenweise aber etwas in den Hintergrund, bevor sich dann am Ende die Geschichte zusammenfügt.

Gestaltung

Sprachlich lässt sich dem Roman gut folgen. Die alltagsnahe Sprache mit vielen Dialogen lässt den Roman lebendig wirken und es fällt nicht schwer, in die Geschichte einzutauchen. Auch wenn der Roman aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt wird, findet man sich dank der Namen über den Kapiteln gut zurecht und weiß sofort, wessen Gedanken man gerade folgt und an wessen Leben man teilnimmt. Zusätzlich beginnt jedes Kapitel mit einem Teil der mysteriösen Geschichte, die mit jedem Kapitel ein Stück weiter geschrieben wird.

Auch die Länge des Romans passt gut. Durch die über 400 Seiten hat die Geschichte genügend Zeit, sich zu entfalten, in die Tiefe zu gehen und die Charaktere in all ihren Facetten zu zeigen. Da dabei auch schwierige Themen angesprochen werden, mit denen manche Leser eventuell momentan nicht umgehen können, findet sich am Ende auch eine Triggerwarnung, die vor dem Lesen eingesehen werden kann.

Fazit

Insgesamt ein gelungener und vielschichtiger Roman, der viele sonst eher schwierige Themen aufgreift, ohne dabei schwer und bedrückend zu werden. Sympathische Charaktere, eine abwechslungsreiche Story und eine stimmige Handlung sorgen für Emotionen und ein tolles Leseerlebnis.

Und dazwischen irgendwo wir

Amani Padda, Arctis

Und dazwischen irgendwo wir

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