Egal war gestern
- Peter Hammer Verlag
- Erschienen: August 2024
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Broschur, 224 Seiten
ISBN: 9783779507482


Realität pur
Finn ist ein Scherzbold. Gemeinsam mit seinem besten Freund Lennard postet er Comedy-Videos auf SoMe, einer angesagten Social-Media-Plattform. Um ihre Reichweite und hoffentlich auch ihre Likes zu erhöhen, versuchen die beiden gemeinsame Sache mit Sam zu machen.
Sam ist mit ihnen auf der Schule und geht auf ihrer SoMe-Seite ihrer Leidenschaft für das Tanzen nach. Das Mädchen erscheint den Jungs gegenüber eher abweisend und schwer erreichbar. Als sie dennoch einwilligt, erkennt Finn schnell, wie unterschiedlich die Online-Welt auf Beiträge von ihm und Sam reagiert und wie auch seine Social-Media-Seite neuerdings bestimmte Kommentatoren anzieht.
„Da verschiebt sich was. Da wird etwas normal, was lange Zeit undenkbar war. Oder was man zumindest nicht laut ausgesprochen hat.”
Sam ist Schwarz und gemeinsam mit ihren Geschwistern sind sie die einzigen Schwarzen Kinder auf der Schule. Neben Begeisterung und Bewunderung, säumen ihre Kommentarspalte Beleidigungen und Hassnachrichten. Als Finn dies entdeckt, öffnet sich plötzlich sein Blick für die täglichen Angriffe, die Sam erfahren muss. Online und in der Schule. Verstärkt wird all dies durch die anstehende Bürgermeisterwahl, bei der ein Kandidat aus dem rechten Spektrum Hass und Ängste schürt.
Als Finns Vater, ein Lehrer an seiner Schule, sich laut gegen rechte Hetze und Rassismus engagiert, eskaliert die Lage für die Familie und plötzlich weiß Finn gar nicht mehr, wer noch auf seiner Seite steht.
Ein wichtiges Jugendbuch
Wie ein Abziehbild von dem, was wir alle täglich erleben, spricht Egal war gestern die großen, lauten sowie die kleinen, leisen Angriffe an, die viele Menschen gerade in Deutschland und in der Welt erleben.
Aus Finns Sicht erzählt, erlebt man ganz eindrucksvoll mit, wie sich sein Gefühl für rechte Rhetorik und den ungerechten und falschen Aussagen auch vieler seiner Freunde und Bekannten schärft. Zu Beginn nervt sein Vater ihn noch mit dessen „politisch korrekten Gerede“, den „Übertreibungen“ bezüglich des Rassismus unter der Schülerschaft und dem lauten Einsatz gegenüber Schülern und Lehrerkollegen. Ihm wird klar – und er erfährt es am eigenen Leib – wie Andersdenkende lächerlich gemacht, ausgegrenzt und bedroht werden.
Durch Finns Ehrgeiz, online berühmt werden zu wollen und den anstehenden Bürgermeister-Wahlkampf, verbinden sich hier auch sehr gut die Mechanismen von online und analoger Welt. Algorithmen, die auf Hetzerei reagieren und sie vervielfachen, und rhetorische Angriffe und Behauptungen, die Menschen ausgrenzen und entmenschlichen sollen – all dies ist nicht neu und doch muss man immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden.
Man erkennt hier viele Situationen und Aussagen, die einem aus dem Alltag bekannt vorkommen, die man selbst manchmal vielleicht verharmlost. Dadurch regt es dazu an, die eigene Position zu bedenken und seine Rolle in all dem zu finden.
Angelehnt an einen wahren Fall von einem Lehrer und einer Lehrerin in Brandenburg, die nach einem die Realität zeigenden „offenen Brief“ unter starken Anfeindungen ihren Job verlassen haben und unter Einbeziehung von bissigen Wahlkämpfen und einer immer menschenfeindlicheren Rhetorik in der Politik hat Jörg Isermeyer ein wichtiges und lesenswertes Jugendbuch geschrieben.
Fazit
Wie und wo setzt man sich gegen Hass und Hetze ein? Welche Strategien stecken hinter rassistischen Parolen? Was hat man all dem entgegenzusetzen? Egal war gestern weckt auf und beschäftigt noch lange nach der Lektüre.

Jörg Isermeyer, Peter Hammer Verlag
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