Louder Than Hunger
- Fischer Sauerländer
- Erschienen: Januar 2025
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übersetzt von Maren Illinger; Hardcover, 524 Seiten
ISBN: 9783737343978
Dieses Jugendbuch geht unter die Haut, berührt und rüttelt wach
Jake kann sich einer Sache sicher sein: Er ist nie allein. Denn in seinem Kopf hat sich eine Stimme eingenistet, die ihm Befehle erteilt. Vor allem, wenn es ums Essen geht. Jake darf nichts essen: Er ist es nicht wert, hat es nicht verdient und darf nicht so viel Raum einnehmen. Jake ist ein Niemand, das sagt die Stimme zu ihm. Warum seine Mama, seine Grandma und Mrs. Burns sich Sorgen um ihn machen, kann er nicht begreifen. Er hat ganz bestimmt keine Essstörung und, nein, er braucht keine professionelle Hilfe.
Nur leider will niemand auf Jake hören und so findet er sich plötzlich in der Klinik Whispering Pines wieder. Strenge Pläne, viel zu viel Essen und dazu soll er die ganze Zeit reden. Er will nach Hause zu seiner Grandma, denn sie allein ist sein sicherer Hafen. Besonders seit damals, als das Mobbing in der Schule losging. Aber Grandma geht es zunehmend schlechter und sie kann Jake nicht in der Klinik besuchen. Es fühlt sich an, als würde nun auch noch das Fundament des Kartenhauses unter seinen Füßen wegsacken…
„Ich bin Niemand! Kenn ich dich? Bist du auch - Niemand - so wie ich?“
Für den US-amerikanischen Autor John Schu ist dieser Jugendroman nicht irgendeiner unter vielen, denn er erzählt ein Stück weit seine eigene Geschichte. Auch er hatte als Teenager über Jahre unter der Krankheit Anorexia nervosa, Magersucht, zu leiden. Es ist zwar keine Autobiographie, Jakes Erzählung ist eine fiktive, aber dennoch fließen zahlreiche Erfahrungen des Autors mit ein.
Der Schreibstil und das Textbild des Romans sind ein kleines Kunstwerk. Nur wenige Wörter und Sätze zieren die einzelnen Seiten, manchmal nebeneinander, manchmal untereinander. Typographische Highlights verleihen einigen Aussagen noch mehr Gewicht. Was von außen wie ein ziemlicher Schmöker aussieht, lässt sich ohne Probleme an einem Nachmittag durchlesen. Doch es braucht Zeit zum Nachwirken, denn Jakes Geschichte trifft mitten ins Herz.
Wie gerne möchte man den 13-jährigen Jungen im Jahr 1996 in den Arm nehmen, ihm sagen, dass er genau richtig ist. Aber das möchte Jake gar nicht hören. Und das ist das Besondere an dem Buch: Es ist wahnsinnig authentisch, ohne Drang zum Happy End. Denn eine Essstörung, wie Magersucht, ist nicht von einem auf den anderen Tag geheilt. Es ist ein langwieriger Prozess, der von zahlreichen Rückschlägen geprägt ist. So oft denkt man, dass Jake es nun endlich schafft gegen seine innere Stimme anzukommen. Doch dann schlägt diese umso härter zurück. Bis er eines Tages über eine Magensonde zwangsernährt werden muss.
„Am glücklichsten bei Grandma. Ich gehe immer ein bisschen leichter, atme ein bisschen freier, wenn ich bei ihr bin.“
Je mehr man Jake kennenlernt, desto klarer ist seine immense Einsamkeit spürbar. Es ist schwer zu ertragen, dass er sowohl zu seiner Mutter, die schon immer mit ihrer eigenen Traurigkeit zu kämpfen hat, als auch zu seinem Vater, der nie da ist, keine allzu große Bindung hat. Wie bezeichnend, dass Jake immer zuerst an seine Grandma denkt, wenn es um die Familie geht. Nur sie konnte ihm je ein Gefühl von Zuhause, Glück und Lebensfreude schenken. Ihre gemeinsame Musical-Vorliebe sowie die gemütlichen Wochenenden zu zweit mit vielen kleinen Ritualen bedeuten Jake alles. Genau dieser eine Anker, seine liebe Grandma, ist nun auch noch schwer krank.
Die Schule als Wendepunkt
Nach und nach erfahren die Leserinnen und Leser, wie Jake in seine Essstörung geschlittert ist. Die siebte, achte Klasse bedeutete für ihn eine harte Zeit. Grüppchen bildeten sich in der Schule, entweder man gehörte zu diesen oder jenen dazu. Doch Jake blieb allein und das fiel auf. Seine Mitschüler fingen an, ihn zu mobben, zu beleidigen, zu demütigen. Es erzeugt eine Gänsehaut, wenn Jake erzählt, dass allein sein Zimmer ihm ein Gefühl von Sicherheit versprach. Und natürlich seine Großmutter. Das Gefühl von Freundschaft hat er bis dato nie erfahren. Seinen Eltern konnte er sich nie anvertrauen. Und so übernahm die Stimme in ihm die Kontrolle.
Eine Stimme, die in Whsipering Pines irgendwann leiser wird, leiser und leiser. Jake fängt an zu kämpfen. Denn er darf so viel Raum einnehmen, wie er braucht. Er ist es wert und wird geliebt. Diese Erkenntnis beginnt wie ein Samenkorn in ihm zu wachsen. Jake hat auf dieser Welt einen Platz!
Fazit
Ein besonderer und grandioser Jugendroman, mit dem sich so viele junge Menschen identifizieren können. Schonungslos, ehrlich, aber trotzdem hoffnungsvoll. Es gibt einen Weg aus der Essstörung, doch diesen kann man nicht alleine gehen.
John Schu, Fischer Sauerländer
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