Mehr Liebesroman oder mehr Fantasyroman?
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Mehr Liebesroman oder mehr Fantasyroman?"
Die Nervards und die Kjers sind Feinde.
Als Mordan, der als grausam geltende Hauptmann der Kjer, damit beauftragt wird, die berühmte Heilerin Lijanas zu entführen, damit sie seinen langsam dahinsiechenden König heilt, befolgt er diesen sofort. Was er sich als relativ einfach vorgestellt hat, entpuppt sich als weitaus schwieriger als angenommen, denn Lijanas ist eine nicht nur schöne, sondern vor allem selbstbewusste junge Dame, die sich nicht so widerstandslos mit ihrem Schicksal abfindet. Dabei zeigt sie jedoch großes Sozialbewusstsein und erkennt durchaus an, dass sie von den Männern Mordans gut und respektvoll behandelt wird.
Lijanas weiß jedoch nicht, dass Mordan der als Blutwolf bekannte, legendäre Heerführer ist, der unvorstellbar grausame Dinge getan hat.
Und Mordan dagegen weiß nicht, dass Lijanas nicht bloß die berühmte Heilerin der Nervards ist, sondern zudem mächtige Personen auf ihrer Seite hat, die sie zweifelsohne suchen werden.
Dem Leser ist natürlich von Anfang an klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Lijanas und Mordan erkennen dagegen erst langsam, dass sie dabei sind, sich rettungslos ineinander zu verlieben.
Tragisch ist, dass Mordan davon ausgeht, niemals mit Lijanas zusammen sein zu können. So viel spricht dagegen. Ihre Völker sind verfeindet, und Mordan ist nicht nur von niederer Geburt, sondern in seiner Stellung als Heerführer strengsten Regeln unterworfen.
Lynn Raven versteht es dabei ausgezeichnet, den Schmerz, den er darüber empfindet, darzustellen. Da Lijanas Tag und Nacht bei ihm ist, leidet er immer mehr - und der Leser mit ihm.
Doch auch Lijanas ist hin- und hergerissen. Obwohl Mordan in gewisser Weise stets aufrichtig zu ihr ist, sie nicht belügt und sie sich immer mehr zu ihm hingezogen fühlt, leidet sie ebenso. Außerdem hat sie ein Problem damit, dass Mordan der Blutwolf ist, doch weitaus problematischer sind die Stricke, die sie auf der Seite der Nervards halten. Lange Zeit schiebt sie die Gedanken an eine gemeinsame und vor allem ihre eigene Zukunft weit fort. Dass die beiden nicht über ihre Gefühle füreinander sprechen, dürfte klar sein.
Durch die Zeit, die sie miteinander verbringen, kommen sie sich jedoch immer näher.
Hier greift Lynn Raven auf die typischen Elemente zurück, die immer wieder Herzklopfen erzeugen, und die einfach nicht fehlen dürfen: Beide müssen gezwungenermaßen vorübergehend in einem Bett schlafen, ein Paar spielen, um nicht aufzufallen, Lijanas pflegt Mordan gesund, Mordan rettet Lijanas das Leben …
Faszinierend ist, dass Mordan trotz harter Vorgehensweise und verabscheuungswürdiger Taten in der Vergangenheit überaus sympathisch und höllisch attraktiv ist. Durch seine Vergangenheit hat er zarte Gefühle nie kennengelernt, kennt dafür blinde Loyalität und Pflichterfüllung, Schmerz und Folter jedoch nur allzu gut.
Lijanas ist daher genau die richtige Frau, um seine zerrissene Seele zu heilen.
Recht schnell fragt man sich, ob man hier einen Liebesroman mit Fantasyelementen oder einen Fantasyroman mit Liebesgeschichte vor sich hat.
Die Tendenz geht eher zu Ersterem, was definitiv nicht von Nachteil ist.
Lijanas und Mordans gemeinsame Erlebnisse berühren und lassen mitfiebern, und überaus gespannt fragt man sich, ob und welche Möglichkeit die beiden finden werden, um zusammenzubleiben.
Hinzu kommen die Geheimnisse um Mordans Herkunft und sein daraus resultierender Lebensweg, doch auch diverse Geheimnisse um Lijanas überraschen und sorgen für Erstaunen oder Schreckmomente.
Doch natürlich sind auch die Fantasyelemente überaus interessant und begeistern. Die Welt, die Lynn Raven erdacht hat, überzeugt auf ganzer Linie, und viele Details komplettieren das Bild – angefangen bei den attraktiven Kjer mit ihrem zwar menschenähnlichen aber dennoch besonderem Aussehen, über die Seelenfresser als tödliche Gefahr, bis hin zu den Heilmittelchen, die Lijanas in ihrem Arzneikasten bereithält.
Mit "Der Kuss des Kjer" zeigt Lynn Raven wieder einmal, was für eine wunderbare Erzählerin sie ist. Sie versteht es, Atmosphäre zu erzeugen. Bei tragischen Szenen leidet man, bei glücklichen Szenen freut man sich, und permanent spürt man diese kribbelige Erwartung, sooft man sich fragt, ob und wie die beiden endlich zu ihrem Happy End finden.
Die Tatsache, dass ihre Völker verfeindet sind, ist dabei natürlich nur das geringste Problem. Böse Mächte verfolgen sie, und diese zu besiegen erscheint unmöglich.
FAZIT
Mit "Der Kuss des Kjer" hält man einen prickelnden Liebesroman mit einer interessanten, fantastischen Kulisse in Händen. Überraschende Wendungen müssen verkraftet, scheinbar unüberwindbare Hürden genommen werden.
Lijanas und Mordan sind zwei überaus sympathische, attraktive Charaktere mit allerlei Problemen, so dass man nicht nur dem Happy End entgegenfiebert, sondern gleichermaßen den Weg bis zu diesem genießen kann.
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