vom Mut, den eigenen Weg zu gehen
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "vom Mut, den eigenen Weg zu gehen"
[Jugendbuch des Monats - Januar 2011]
Die junge Pell Ridley entschließt sich dazu, am Morgen ihres eigenen Hochzeitstages ihrem bisherigen Leben den Rücken zu kehren und einer ungewissen Zukunft entgegenzureiten, beseelt von dem Wunsch, frei zu sein und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Ihr Pferd Jack, ihr stummer Pflegebruder Bean und ein kleines Bündel mit ihren Sachen sind das Einzige, das sie bei sich trägt.
Wie schwierig das Leben ohne Familie und im rauen Südengland Mitte des 19. Jahrhunderts ist, wird sehr schnell deutlich. Pell hat weder Beziehungen noch einen Plan, also muss sie zusehen, wie sie ihr und das Überleben ihres Bruders sichert. Da sie etwas von Pferden versteht, sucht sie einen Pferdemarkt auf und bietet Interessierten ihre Dienste bei der Wahl des richtigen Pferdes an, wird jedoch hintergangen, was ihr letztendlich ihr eigenes Pferd kostet und sie von Bean trennt. Verzweifelt und ohne Perspektive macht sie sich auf die Suche nach dem Jungen und stößt schließlich auf den Begleiter des Mannes, der sie betrogen hat. Und bei ausgerechnet diesem findet sie schließlich ein Dach über dem Kopf, wenngleich sich beide anfangs suspekt sind und aus dem Weg gehen. Doch Pell kann nicht bleiben. Sie muss Bean finden.
Als Leser verfolgt man aus der Distanz heraus Pells Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Pell erscheint als in sich gekehrte, zurückhaltende und ruhige Frau, die nicht viel spricht und nur den Mund aufmacht, wenn sie etwas zu sagen hat.
Anfangs ist es schwierig, ihren Charakter zu durchschauen, denn die Autorin hält sich nicht mit großen Beschreibungen auf, sondern konzentriert sich eher auf Pells Handlungen. Letztendlich wird jedoch gerade dadurch viel über sie deutlich, das ohne großartige Erklärungen an Eindringlichkeit gewinnt.
Ihre Beweggründe, am Tag ihrer Hochzeit fortzugehen, werden erst nach und nach deutlich. Es ist spannend zu beobachten, wie sie sich durchschlägt und versucht, in der wilden, ungastlichen Heidelandschaft im Südwesten Englands zu überleben, insgeheim auf der Suche nach ihrem selbst gewählten Platz im Leben.
Die Bewunderung für diesen Schritt steigt von Seite zu Seite, denn fortzugehen bedeutet Armut, Hunger, Kälte und die Ungewissheit, zu überleben. Viele andere junge Frauen hätten sich sicherlich gefügt und ihren Kinderfreund geheiratet.
Pell ist jedoch stark, und sie gibt nicht auf, agiert vielmehr völlig durchdacht, aber auch realistisch. In ihrem Leben ist kein Platz für romantische Gefühle oder der Suche nach der großen Liebe. Ihr Leben dreht sich um die Freiheit, das zu tun, was sie selbst will.
Hin und wieder wechselt die Perspektive. Meg Rosoff berichtet beispielsweise kurz, was Bean widerfährt. So wird das Bild der Vorgänge um die paar Personen, die in dieser Geschichte von Bedeutung sind, komplettiert. Für überraschende Momente sorgen vor allem die winzigkleinen Details und die intelligent geschlossenen Kreise.
Man sieht sich immer zweimal. Diese Redewendung scheint perfekt auf Pells Geschichte zu passen, so dass dem Leser doch manchmal der Mund vor Staunen offen stehen bleibt.
Und während Pell ihren Weg geht und sich nach tragischen Ereignissen langsam alles wieder zum Guten wendet, kommt es noch einmal hart für sie.
Was ihr Weggang für die Zurückgebliebenen bedeutet, daran hat sie nicht gedacht, und so muss sie sich mit Vorwürfen und Schuld auseinandersetzen. Doch ist sie wirklich für das Leben der anderen verantwortlich?
Als Leser stellt man sich genau diese Frage.
Meg Rosoffs Schreibstil verdient noch besondere Erwähnung. Sie schafft wunderbar klare Bilder und erzeugt gekonnt die passende Atmosphäre.
Mit Pell tauschen? Nein Danke, und doch verfolgt man mit zunehmender Spannung und Begeisterung, aber auch Beklemmung, ihren Weg und bewundert sie wegen ihres Mutes, in eine ungewisse aber harte, selbstbestimmte aber entbehrungsreiche Zukunft aufzubrechen.
FAZIT
Meg Rosoff führt dem Leser am Beispiel der jungen Pell in faszinierend eindringlicher Weise vor Augen, worauf es im Leben wirklich ankommt: Die Freiheit, seinen Weg selbst zu bestimmen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts im Südwesten Englands bedeutet dies jedoch, sich in rauer und entbehrungsreicher Umgebung zu behaupten. Die Bewunderung für Pell steigt mit jeder Seite, genauso wie die Faszination ihrer immer wieder überraschenden, berührenden, schockierenden, manchmal bitteren, warmherzigen und einfach fesselnden Geschichte.
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