boy meets boy
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "boy meets boy"
[Jugendbuch des Monats - Mai 2011]
Paul ist schwul, und das weiß er schon seit dem Kindergarten. Zwar hat seine Mutter bei seiner Verkündung, dass er schwul sei, noch begeistert gedacht, ihr kleiner Sohn habe ein neues Wort gelernt, doch als seine Eltern sich darüber bewusst wurden, dass er tatsächlich kein Interesse an Mädchen hat, war das auch kein Drama. Paul hat es immer gut gehabt und wegen seiner Homosexualität nie wirklich gegen irgendwelche Vorurteile kämpfen müssen. Natürlich gibt es die Schwulen-Hasser, doch die haben in der kleinen Stadt, in der Paul wohnt, nie eine Chance gehabt. Selbst der Star-Quarterback der Schule ist eine Dragqueen, und die FELS (FreundInnen und Eltern von Lesben und Schwulen) ist ebenso groß wie die KELI (Kinder-Eltern-Lehrer-Initiative). Das einzige wirkliche Problem, das Paul hat, ist die unglücklich und sehr schmerzhaft auseinandergegangene Beziehung zu Kyle.
Kyle ignoriert ihn seitdem, scheint ihn regelrecht zu hassen, und trifft sich wieder mit Mädchen.
Doch dann lernt Paul Noah kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Und Noah scheint seine Gefühle zu erwidern. Unglücklicherweise meldet genau in dem Moment Kyle wieder Interesse an und bittet Paul um Verzeihung. Es wird kompliziert.
Gibt es diese kleine Stadt, in der die Geschichte spielt, vielleicht irgendwo in den USA? Wahrscheinlich nicht, denn was David Levithan da präsentiert, ist schon arg unrealistisch. Natürlich wünscht man sich dennoch sofort, dass diese kleine liberale Stadt, in der so gut wie niemand etwas gegen Homosexuelle hat, tatsächlich existiert. So wie Paul sie beschreibt ist sie der perfekte Ort zum Leben und Glücklichsein. Und auch die Highschool ist einfach traumhaft beschrieben. Zwar gibt es hier und da mal Zickenkrieg, aber von Mobbing, Ausgrenzung oder ernstzunehmenden Lästerattacken sieht man weit und breit keine Spur.
Und doch stimmt dieser Hintergrund und funktioniert prächtig. Man fühlt sich sofort wohl in dieser Stadt, in der man beim Eis-Holen Horrorfilme schauen und auf Partys der örtlichen Buchhandlung in der Selbsthilfeabteilung tanzen kann. David Levithan weckt damit stets feinfühlig äußerst humorvolle und sympathische Vorstellungen.
Paul ist Teil dieses in gewisser Weise besonderen Mikrokosmos. Sein bester Freund Tony, seine beste Freundin Joni, dazu seine vielen Freunde und Bekannten an der Schule und natürlich seine Familie. Dass es bei anderen nicht so zugeht wie bei ihm, weiß er zwar, er ist sich der vollen Tragweite allerdings nicht bewusst. Erst als ihm gleich von zwei Seiten mitgeteilt wird, welch großes Glück er hat, erkennt er, dass vor allem Tony unvorstellbar kräftezehrend gegen die konservative Einstellung seiner Eltern ankämpfen muss. Und dass Kyle sich zerrissen fühlt, weil er Mädchen und Jungen liebt, daran hat er ebenfalls nie gedacht.
Doch im Mittelpunkt stehen natürlich seine Gefühle für Noah. Die Liebesgeschichte der beiden ist wunderschön erzählt, was die beiden unternehmen und worüber sie reden, berührt, bringt zum Lachen, fesselt. Das Chaos, in das Paul stürzt, nicht weil er sich in Noah verliebt, sondern eher, weil er im Mittelpunkt der vielen Personen um sich herum steht, ist nachvollziehbar und zeigt eine interessante Bandbreite von richtigem und falschem Verhalten – auf allen Seiten. Doch Paul verzeiht man seine kleinen Fehltritte gern, da er durch und durch sympathisch ist und man natürlich nicht verlangen kann, dass er perfekt ist. Wie alle anderen ist er ein ganz normaler Teenager, der noch erwachsen werden muss.
Die Selbstverständlichkeit, mit der David Levithan mit dem Thema Homosexualität umgeht, ist wunderbar und erinnert an Andreas Steinhöfels "Die Mitte der Welt".
Hinzu kommt der erfrischende Ton, in dem er von Paul und seinem Leben erzählt. Beides zusammen ergibt eine außergewöhnliche Mischung, in der sämtliche Emotionen mitschwingen und angesprochen werden.
FAZIT
Kein düsteres Problembuch zum Thema Homosexualität, sondern eine erfrischend zu lesende Story bietet David Levithan hier, die neben einer liebenswerten Hauptfigur, trotz einer ziemlich hohen Dosis "Heile Welt" und mit charmantem Humor große Tiefe besitzt.
Es geht ums Erwachsenwerden, und irgendwann beim Lesen stellt man fest, wie egal es ist, ob man sich in Mann oder Frau verliebt. David Levithan zeigt am Beispiel von Paul, dass es immer um den Menschen selbst geht!
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