Und niemand wird Dir glauben
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Und niemand wird Dir glauben"
Nicks Welt gerät aus den Fugen: Seine Mutter wurde tot aufgefunden, einen Vater kennt er nicht und die einzigen Verwandten leben weit entfernt. Zwar hat Jenny, die beste Freundin seiner Mutter versprochen, im Falle eines Falles für Nick da zu sein, doch die übereifrige Sozialarbeiterin Mrs. Batts sieht das ganz anders. Sie will, dass Nick ins Heim kommt, wo er mit liebevoll strenger Hand zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft erzogen werden soll. Da nützt es dem Teenager auch nichts, dass er sich im Heim zunächst quer stellt. Die liebevoll strenge Hand entpuppt sich zudem schnell als prügelnder Aufseher, der keinerlei pädagogisches Interesse geschweige denn eine entsprechende Ausbildung hat. Doch da gibt es noch Tony Creal, der den Jungs in ihrer Heimatlosigkeit eine Anlaufstelle bietet. Und von ihnen eine Gegenleistung verlangt, die Nick nur unter Zwang leistet und für die er sich schämt. Doch niemand will ihm glauben, dass der liebe Mr. Creal die Jungs, die er zu sich in die Wohnung holt, missbraucht.
Bist Du erst einmal in die Mühlen des Gesetzes gekommen, gibt es keinen Weg mehr hinaus. So könnte das Fazit aus diesem Roman lauten. Der Junge Nicholas Dane ist weder ein Musterschüler noch wirklich ein Asozialer, als seine Mutter sich den goldenen Schuss setzt. Er ist ein recht gut sozialisierter Teenager, der allerdings mitten in der Pubertät steckt. Damit mögen sich wohl etliche Leser selber gemeint fühlen. Doch Nick hat das Pech, dass Mutters Freundin Jenny alles ein wenig ungeschickt anpackt und die Sozialarbeiterin, die als übereifrige aber inkompetente ältliche Dame geschildert wird, den Erzieher Tony Creal anhimmelt. So ist es für die alles entscheidende Sozialarbeiterin kein Thema, Nick bei Jenny zu lassen. Sie sorgt dafür, dass er in ein Heim gesteckt wird, in dem ausschließlich unfähige Leute das Sagen haben. Diese Komponente ist es denn auch, die viel Raum für Kritik bietet. Einerseits wird den jungen Lesern eine mehr oder weniger hoffnungslose Situation präsentiert, die einzig auf dem Machtmissbrauch der staatlichen Stellen fußt. Die Jungen im Heim werden von allen Außenstehenden abgeschottet, so dass sie zum Spielball der sadistischen und pädophilen Erzieher werden. Die klare Zuordnung in gut und böse – alle entscheidenden Stellen sind böse – dürfte wenig dazu angetan sein, beim Jugendlichen Publikum das Vertrauen in Erziehungspersonen welcher Art auch immer zu fördern. Im Gegenteil: Die Mitteilung, dass niemand Nick glaubt, als er von den Übergriffen Creals erzählt, dürfte durchaus ein Signal sein, sich auf keinen Fall jemandem anzuvertrauen. Dies steht in einem klaren Widerspruch zum umfangreichen Adressmaterial im Anschluss an den Roman. Dort werden die Stellen angegeben, an die sich missbrauchte Jugendliche wenden können, um Hilfe zu finden.
Wenig erfreulich ist auch die Schilderung der einst drogenabhängigen Mutter. Autor Melvin Burgess erweckt den Eindruck, als sei ein ehemaliger Junkie in der Lage, nach einem Entzug und langjähriger Abstinenz die Droge als kontrollierbare Stimulans nutzen. Zwar setzt sich Nicks Mutter den goldenen Schuss, doch wird dies weder näher erläutert noch in einen direkten Zusammenhang mit ihrem gelegentlichen Drogenkonsum gestellt. Dies muss angesichts der Drogenproblematik als fahrlässig bezeichnet werden.
FAZIT
Grundsätzlich ist es lobenswert, dass sich ein Autor des Themas "Missbrauch" annimmt und in einem Jugendbuch aufzeigt, wie es zu Missbrauch kommen kann und mit welchen Schamgefühlen die Opfer konfrontiert werden. Dieser Bereich hebt sich denn vom gesamten Konzept des Romans auch positiv ab. Wenig hilfreich bis unerfreulich ist hingegen die Charakterisierung aller staatlichen Stellen und Angestellten als unfähige und eigennützige Personen. Diese Sichtweise läuft der Aufforderung zuwider, sich bei Übergriffen an entsprechende Stellen zu wenden. So bleibt der Roman "Nicholas Dane" eine sehr durchzogene Sache und vermag über weitere Bereiche nicht vollauf zu überzeugen.
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