Was wird nach der Apokalypse aus den Menschen?
In Kürze:
New York wurde in einem längst vergessenen Krieg zerstört. Die Oberfläche ist durch Säureregen und glühende Hitze unbewohnbar geworden. In den U-Bahn-Tunneln der Stadt leben die junge Jägerin Zwei und ihr Partner Bleich, die sich Tag für Tag bemühen, genug Nahrung für ihren Stamm zu erlegen. Da wird Zwei an die Oberfläche verbannt. Ein sicheres Todesurteil! Darum kann sie kaum glauben, dass Bleich beschließt, sie zu begleiten. Doch der würde alles tun, um Zwei nicht zu verlieren …
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Was wird nach der Apokalypse aus den Menschen?"
Oben und unten – geteilte Welt
Zwei erhält ihren Namen während ihrer Weihe zur Jägerin. Sechs Schnitte werden in ihren Arm geritzt und mit glühendem Stahl verschlossen. Geboren wurde Zwei unten in den Tunneln der Stadt, in der Enklave College. Zu ihren Eltern hatte sie nie eine besondere Beziehung, denn alle Zeuger haben die Aufgabe, sich um die Bälger zu kümmern. Jeder Mensch hat hier seine Bestimmung: Der Attraktive und Gesunde wird ein Zeuger, der Intelligente und Geschickte wird ein Schaffer, der Starke und Mutige ein Jäger, der die Nahrung jagt und die Enklave beschützt.
Mit Bleich, dem Eigenbrötler, der nicht in der Enklave geboren wurde, wird Zwei auf eine Patrouille geschickt. Als sie einen blinden Balg finden, bringen sie ihn nach College. Das Kind übermittelt wichtige Informationen, wird allerdings danach getötet. Das Gesetz der Jäger ist das Gesetz des Stärkeren. Zwei zeigte Mitleid und ein Freund von ihr soll dafür büßen. Doch sie kann nicht zulassen, das Stein etwas angehängt wird, springt für ihn in die Bresche und erhält von Bleich Rückendeckung. Beide werden an die Oberfläche in den vermeintlich sicheren Tod verbannt.
Oben ist es wahrhaftig erschreckend, ein brennender Glutofen, bevölkert von gewalttätigen Gangs, die sich wie Tiere verhalten. Doch Bleich offenbart nach und nach seine Geheimnisse und eine Hoffnung.
Bekannte Motive in neuem Gewand
Die Idee der Geschichte ist nicht besonders originell: Die Welt, so wie wir sie kennen, wurde von einer Katastrophe vernichtet, die nur wenige Menschen überlebt haben. Von New York City sind nur Ruinen übrig geblieben und die U-Bahn Tunnel. Beides dient den wenigen verbliebenen Menschen als Lebensraum, im Überlebenskampf entstehen die Anfänge neuer Gesellschaftsstrukturen.
Dieses Thema, in der hier beschriebenen oder in abgewandelter Form, kennt man aus der phantastischen Literatur bereits, z.B. aus den im Trend liegenden Young adult Dystopien wie Maxime Chattams "Alterra" oder Suzanne Collins "Die Tribute von Panem".
Die in Mexiko lebende Autorin Ann Aguirre schrieb bisher vor allem Urban Fantasy, Science Fiction mit Romantik-Touch und Romantik-Thriller.
Hier versucht sie den Spagat zwischen Endzeit und Romantik, eine Kombination, die man auch in anderen Young adult Dystopien findet.
Direkt vorweg nehmen möchte ich, das sich der Romantik-Aspekt hier angenehm zurückhält. Die große Liebe als das zentrale Motiv inmitten einer Welt mit täglichem Kampf um das Überleben, das passt einfach nicht. Klappentext und Verlagswerbung gaukeln hier - glücklicherweise - ein wenig mehr an großen Gefühlen vor, als das Buch hält.
Stattdessen beschäftigt sich die Autorin damit, wie sich die Menschen nach einer noch nicht näher beschriebenen, globalen Katastrophe organisieren und entwickeln.
Dabei kommt den Enklaven zunächst eine gesellschaftliche Vorreiterrolle zu. Denn eine Reihe von Kodizes und eine streng reglementierte Ordnung ermöglichen ihr Überleben. Als Gegenentwürfe treten streunende, geistig degenerierte Mutanten und anarchistische Gangs auf.
Aguirres Figuren wirken lebendig, besonders in den vergleichsweise wenigen, emotionalen Passagen. Erzählt wird die Geschichte aus Zweis Perspektive und man nimmt es ihr ab, dass zwischen Adrenalin und Angst zufällige Berührungen ihre Gefühle wecken. Interessant und glaubwürdig beschrieben ist auch, wie sie zunächst feststehende Überzeugungen über Bord wirft, sogar einem ehemaligen Todfeind Sympathien entgegen bringt. Ann Aguirre entwickelt die Geschichte behutsam, nimmt ihre Figuren ernst. Immer wieder webt sie Bezüge zur Historie der Menschen in die Geschichte ein, z.B. mit einer poetisch anklingenden Nebenhandlung um den Fund des Buchs "Tagjunge und Nachtmädchen" von George MacDonald.
Noch etwas ausführlicher hätte die Autorin auf die Sozialstrukturen der Gangs eingehen können. Andeutungsweise erfahren wir, dass die Unterschiede zwischen Enklave und Gang nicht so gravierend sind, wie sie zunächst scheinen. Dazu ein wenig mehr, dafür der ein oder andere Kampf weniger, und "Die Enklave" hätte mehr Tiefgang bekommen.
Zum Ende schwächelt der Plot. Es wird esoterisch, was zum bis dahin realitätsnahen Handlungsbild nicht passen will. Das Finale gerät, nachdem soviel gekämpft und überstanden wurde, seltsam unspektakulär. Trotzdem darf man gespannt sein, wie es im zweiten Teil "Outpost" (amerikanischer Titel), der im Herbst 2012 erscheinen soll, weiter geht.
FAZIT
Insgesamt ist "Die Enklave" ein gehaltvolles und über weite Strecken spannendes Buch, mit angenehm zurückhaltendem Romantik-Touch, das sich nicht hinter anderen Vertretern der Young adult Dystopie zu verstecken braucht.
Deine Meinung zu »Die Enklave«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!