Mehr als Romeo und Julia im Mafia-Milieu
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Mehr als Romeo und Julia im Mafia-Milieu"
Wir kennen die Bilder aus dem Fernsehen – wenn die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra, zuschlägt, dann bleiben blutüberströmte Leichen zurück. Seit Generationen verfeindete Mafiafamilien führen ihren Zwist auf dem Rücken unschuldiger Bauern und Tagelöhner aus, die Opfer werden als tote Verbrecher nicht weiter beachtet. Dass den verarmten Bewohnern der kargen Mittelmeerinsel kaum ein anderer Lebensunterhalt bleibt, als sich einer der Dynastien anzuschließen, wird dabei gerne verdrängt. Das Armenhaus Europas kommt zumeist nur in Statistiken vor, eine wirtschaftliche Entwicklung scheitert an Korruption und dem schlechten Ruf der Gegend.
Was aber wäre, wenn die das organisierte Verbrechen beherrschenden Familien viel weiter in die Geschichte zurückreichen würden, als bekannt? Zu einem antiken Königreich, Arkadien genannt, dessen Bewohner zur Gestaltwandlung befähigt waren?
Ganz nach ihrem Gusto konnten sich die alten Arkadier in Tiere verwandeln, ihr König Lykaon wurde einst von Gottvater Zeus in einen Wolf verwandelt. Seitdem haben auch seine Landsleute entsprechende Fähigkeiten. Im antiken Griechenland beeinflussten sie aus dem Hintergrund die Politik des Stadtstaates, flossen Reichtümer und Kunstwerke nach Arkadien.
Doch die Götter sahen mit neidischen Argusaugen auf das Reich, das sich anschickte, die Welt zu beherrschen. Ein von den "Löchern in der Menge" verursachtes Erdbeben zerstörte damals die Herrschaft der Arkadier über das Mittelmeer.
Seitdem ist viel Zeit vergangen, doch nach wie vor versuchen die Überlebenden der Familien, diese zu alter Größe zurückzuführen.
Rosa und Alessandro, Abkömmlinge einander verfeindeter Arkadienfamilien, haben sich, dem Vorbild Julias und Romeos folgend, ineinander verliebt. Als Anführer ihrer Familien hofften sie, die Generationen währende Fehde beenden zu können. Als der Hungrige Mann, der Capo dei Capi, der sich als Wiedergeburt von König Lykaon betrachtet, nach Jahrzehnten aus dem Gefängnis entlassen wird, geht die Jagd der Arkadier auf die beiden los, da sie die Grundsätze ihrer Familien verletzen.
Harpyen-Arkadier greifen sie aus der Luft an, die Carabinieri sitzen ihnen wegen eines vermeintlichen Mordes an einer Staatsanwältin im Nacken, und auch die Tabula, eine Geheimgesellschaft, die Arkadier einfängt, missbraucht und schlachtet, ist ihnen auf der Spur. Dass sich unsere beiden in ihrer jeweiligen Tierform – Rosa kann sich zu einer Schlange wandeln, Alessandro zum Panther – ihrer Haut zu wehren wissen, hilft ihnen kaum weiter. Aufklärung verspricht der schwerreiche Anführer der Hybriden. (Hybriden sind Gestaltwandler, die auf ewig in ihrer Metamorphose stecken geblieben sind.) Und dieser erzählt ihnen nicht nur die wahre Geschichte der Arkadier, sondern will sie auch benutzen, um sich an den Familien zu rächen. Einmal mehr sitzen unsere beiden Helden zwischen allen Stühlen, plant der Boss der Bosse doch, unsere Liebenden in einem antiken Ritual zu opfern, um die Götter gnädig zu stimmen und die alte Macht wieder auferstehen zu lassen ...
Fantasy made by Meyer – ein Gütesiegel
Was Deutschlands führender Phantast dieses Mal für seine Leser bereit hält, das lässt sich kaum wirklich zusammenfassen. Wie von Kai Meyer gewohnt, verlässt er die ausgetretenen Pfade der gängigen Bestseller, baut statt dessen ganz auf seine eigene Phantasie und verzaubert seine Leser, stilistisch herausragend, einmal mehr mit einer ergreifenden Geschichte.
Was auf den ersten Blick "nur"als eine moderne Urban Fantasy Version des Shakespeare-Klassikers "Romeo und Julia" im Mafia Milieu aussieht, das hält weit mehr für den Leser bereit. Es gibt Verrat und Geheimnisse, Kämpfe und Verwicklungen, das alles aber so geschickt inszeniert, dass der Leser förmlich an den Seiten klebt.
Da ist zum Einen die ergreifende Geschichte der beiden Hauptpersonen. Rosa wuchs bei der sie ablehnenden Mutter auf, wurde vergewaltigt und muss zudem mit einem ungewollten Erbe – der Mafiafamilie – klarkommen. Dass sie, verletzt wie sie innerlich ist, nicht einfach resigniert, sondern die Kraft findet, weiterzumachen, den Geheimnissen um ihren vermeintlich verstorben Vater, ihrem Arkadien-Erbe und der Suche nach ihren Wurzeln auf den Grund zu gehen, nötigt uns Hochachtung ab.
Die nicht eben einfache Love-Story um eine Liebe, die ihrer Umgebung, ihrer Familien nach, nicht sein darf, birgt weitere Dramatik in sich, zumal Rosa auch ihre gestaltwandlerischen Fähigkeiten zunächst einmal akzeptieren muss.
Nach und nach kommen weitere Geheimnisse ans Licht. Was und wer steckte hinter ihrer Vergewaltigung? Wer sind die Tabula? Warum ist eine Verbindung der beiden verfeindeten Familien seit Anbeginn der Zeiten von den Göttern verboten? Fragen, auf die der Abschlussband ebenso überraschende wie überzeugende Antworten bereit hält.
Das hat Tempo, atemberaubende Spannung und markante, glaubwürdige Charaktere, in die man als jugendlicher wie erwachsener Leser gerne hineinschlüpft. Dabei haben es die Meyer´schen Helden nie einfach, müssen sie sich doch ihren Weg gegen Widerstände aller Art bahnen. Gerade dies aber, die nachvollziehbare Entwicklung, die sie dabei durchmachen und die sie prägt, hat der Autor mustergültig eingefangen. Das sind keine Pappcharaktere, die stereotyp handeln, sondern Menschen, die Extremsituationen zu überstehen haben, die sich fürchten, die flüchten und sich letztlich ihrem Schicksal stellen.
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