Solange du schläfst

  • Coppenrath, 2011, Originalausgabe
Solange du schläfst
Solange du schläfst
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Als die 16jährige Anna mit ihren Eltern aufs Land zieht, ist von ländlicher Idylle nicht viel zu spüren. Die Dorfbewohner sind in ihren Augen spießig und verbohrt, in ihrer neuen Schule bleibt sie eine Außenseiterin, und auf Kontakte zu anderen Jugendlichen des Dorfes legt sie keinen Wert. Doch dann trifft sie den gutaussehenden Jérome und plötzlich ist alles anders. Auch Jérome ist in dem Dorf nur ein Außenseiter und hat mit den ständigen Anfeindungen seitens der Jugendlichen des Ortes zu kämpfen.

Anna und Jérome verlieben sich ineinander, und allen Widerständen zum Trotz entwickelt sich zwischen den beiden eine zarte Jugendliebe. Doch diese Liebe ist so manchem im Ort ein Dorn im Auge, allen voran dem Sohn des Bürgermeisters, der selbst ein Auge auf Anna geworfen hat und der mit seinen Kumpanen Jérome ständig drangsaliert und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschreckt.

Doch dann kommt alles ganz anders. Jérome verschwindet nach einem Dorffest plötzlich spurlos und wird am nächsten Tag zusammengeschlagen und schwer verletzt in einem Feld gefunden. Schnell verbreitet sich im Dorf das Gerücht, Jérome wäre ein Drogendealer. Anna ist die einzige, die diesen Anschuldigungen nicht glaubt, und als Jérome aufgrund seiner schweren Verletzungen ins Koma fällt, meint Anna nicht nur, seine Stimme in ihrem Kopf zu hören, sie wird auch plötzlich von Bildern heimgesucht, die nicht ihrer Erinnerung entstammen.     

Ein filigraner Buchdeckel, dessen ausgestanztes Muster an Scherenschnitte erinnert, ein zartes Rosenmuster, ein herzförmiger Ausschnitt, viel mädchenhaftes Pink, Rosenmotive am Beginn eines jeden Kapitels - keine Frage, an welche Zielgruppe sich dieses Buch richtet. Was nützt aber die schönste Aufmachung, wenn der Inhalt nicht stimmt, und auf den kommt es letztendlich an?

Die Geschichte wird zum Großteil in Ich-Form aus Annas Sicht erzählt. Annas Mutter ist eine erfolgreiche Autorin, der Vater ist Anwalt, die Familie hat einen gewissen sozialen Status und es geht ihr finanziell gut. Natürlich hat Anna auch ein Pferd. Schnell wird dem Leser aber klar, dass Anna alles andere als ein sympathischer Charakter ist. Für eine 16jährige ist sie ziemlich unreif und benimmt sich oft wie eine pubertierende selbstgefällige Zicke. Ihren Mitmenschen gegenüber ist sie unhöflich und arrogant, ihre Handlungen sind oft impulsiv und völlig unüberlegt, sie verträgt keine Kritik und ist zu keiner Selbstreflexion fähig.

Jéromes Mutter ist Ärztin in Afrika, er selbst lebt auf dem abgelegenen Hof seines Onkels, der hoch verschuldet ist. Die Tante ist verbittert, der Onkel in irgendwelche krummen Geschäfte verwickelt.  Obwohl ein Teil der Geschichte aus Jéromes Sicht erzählt wird, hat er eigentlich nicht viel zu erzählen und bleibt als Charakter erstaunlich flach und farblos.

Die kaum vorhandene Charakterzeichnung ist ein großer Schwachpunkt in diesem Roman. Schablonenhafte, eindimensionale Charaktere, bei denen es nur Gut und Böse gibt, die Schwarz-Weiß-Malerei ist teilweise unerträglich. Das mag zum Großteil auch daran liegen, dass sämtliche Nebencharaktere, seien es nun Mitschüler, Eltern, Dorfbewohner usw., hier lediglich Randfiguren bleiben.

Sozialkritische Themen wie Gewaltbereitschaft und Mobbing unter Jugendlichen,  Fremdenfeindlichkeit und Drogenkriminalität werden in der Geschichte zwar angesprochen, die Autorin verzichtet aber darauf, bei diesen Themen in die Tiefe zu gehen und der Geschichte damit einen gewissen Anspruch zu geben. Leider bedient sie hier auch viel zu viele Klischees.   

Dominiert wird die Handlung eindeutig von der Liebesgeschichte zwischen Anna und Jérome, dabei gelingt es der Autorin nicht, den besonderen Zauber einer ersten Liebe einzufangen. Der Roman bleibt über weite Strecken auf Groschenroman-Niveau, was größtenteils an der unsäglich kitschigen Herz-Schmerz-Prosa liegt, derer sich die Autorin bedient, von den vielen Wiederholungen ganz zu schweigen. Ganz besonders deutlich wird dies im letzten Teil der Geschichte, der völlig misslungen ist. Hier wäre weniger mehr gewesen. Wer letztendlich hinter dem Anschlag auf Jérome steckt, wird einem aufmerksamen Leser schnell klar und die Auflösung bringt dann auch keine großen Überraschungen. 

FAZIT

Ausgefeilte Dialoge, gut ausgearbeitete facettenreiche Figuren, eine durchdachte Handlung mit Tiefgang, eine dezente schöne Sprache, keine Klischees und kein rosaroter Zuckerguss - dies alles hätte dieser Roman gebraucht, um auch inhaltlich mit dem schönen Cover Schritt zu halten. So bleibt es leider nur eine unausgegorene oberflächliche Liebesgeschichte und man muss schon eine ziemlich ausgeprägte romantische Ader und ein großes Faible für zuckersüße Herz-Schmerz-Geschichten haben, um an diesem Buch Gefallen zu finden.  

Solange du schläfst

Antje Szillat, Coppenrath

Solange du schläfst

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