Das Ende einer Ära
Wenn ein Buch wie dieser vierte Teil der "Eragon"-Saga schon vor seinem Erscheinen derart hoch gehandelt wird, muss man beim Lesen und Besprechen aufpassen, nicht voreingenommen zu sein. Ein Fazit möchte ich deshalb gleich an den Anfang stellen: Christopher Paolini hat sein erzählerisches Niveau auf jeden Fall gehalten – aber auch nicht weiter gesteigert. Das ist bei einem derartigen Epos sicher auch schwierig, die Erwartungen von Fans und Kritikern sind immens hoch. Vergleiche mit anderen Autoren und deren Werken halte ich persönlich übrigens für wenig hilfreich, sie werden weder dem einen noch dem anderen auch nur annähernd gerecht. Paolini hat seinen ganz eigenen Stil, auch wenn er diverse Elemente in seinen Büchern verwendet, die er aus der Fantasy-Literatur anderer Autoren entnommen hat. Aber er kupfert nicht ab, und das ist das Wichtigste dabei.
Schließlich kann nicht alles immer neu erfunden werden, und so bietet auch dieser vierte Band über Eragon und seine Mitstreiter im Kampf um die Macht in Alagaësia zunächst nicht viel Neues. Die bekannten Kämpen sind an Eragons Seite zu finden. Sein Cousin Roran zeichnet sich durch neue Heldentaten aus, Arya und die anderen Elfen sind für den Drachenreiter unverzichtbar. Eragons ganz persönliches Verhältnis zu Arya ist allerdings nach wie vor ungeklärt, was ihn zunehmend belastet. Ich will hier auf keinen Fall vorgreifen - aber es wird noch komplizierter als geahnt.
Wer die ersten drei Bände gelesen hat – und nur dann kann man dieses Buch wirklich genießen – weiß längst, dass sich Elfen, Menschen, Zwerge und Urgals verbündet haben, um den grausamen Herrscher Galbatorix zu stürzen. In den Kämpfen um die verschiedenen Städte, die von den Verbündeten nach und nach erobert werden, gibt es wieder spannende und listenreiche Kämpfe, aber immer mehr schiebt sich die Frage in den Vordergrund, wie Eragon und sein Drache Saphira den scheinbar übermächtigen König besiegen können, wenn sie ihm irgendwann gegenüberstehen werden. Denn Galbatorix besitzt die Macht vieler Drachen, deren Seelenhort, den Eldunarí, er in seinen Besitz gebracht hat. Der vierte Band der Saga bietet also nicht wirklich viel Neues, aber dennoch hat Christopher Paolini einige kreative Einfälle zu Papier gebracht und vermag seine Leser doch noch zu überraschen.
Die Eragon-Bücher sind nicht zuletzt deshalb so lesenswert, weil der Autor es wirklich versteht, den Leser sofort "zu Hause" zu begrüßen. Man ist gleich mittendrin in der Erzählung, in diesem Buch erfährt man auch vieles aus der Vorgeschichte der Saga, und lose Fäden werden plötzlich überaus elegant zusammengeführt. Der Kreativität von Christopher Paolini ist es zu verdanken, dass es zur Drachenmagie und zur Geschichte seiner Fantasie-Welt noch einige neue, spannende Aspekte gibt. Aber es gibt auch Kritisches anzumerken, weshalb ich nur 8 Punkte vergeben kann. Die Eragon-Fans werden jede zusätzliche Seite bejubeln, aber mir ist "Das Erbe der Macht" um einiges zu lang geraten. Sicher, das Buch ist spannend, und man liest es mit Genuss in einem Rutsch durch. Aber an etlichen Stellen ist zu merken, dass Christopher Paolini sehr ausschweifend wird, wo er sich hätte kürzer fassen können, ohne dass es weniger spannend geworden wäre. So manche Teil-Episode ist zu langatmig geraten, Reisen werden um das Fabulierens willen ausgedehnt, Räumlichkeiten zu weitschweifig beschrieben.
Konkret gesagt: 750 Seiten wären besser und völlig ausreichend gewesen. Dennoch ist auch der vierte Teil der Eragon-Saga ein lesenswertes Buch. Gespannt bin ich auf die Debatte darum, ob der Autor noch weitere Teile schreiben wird. Denn zu Ende erzählt wirkt die Geschichte der Drachenreiter aus Alagaësia noch keineswegs.
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