Eine verlockende Mischung aus Abenteuer und Vergnügen
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Eine verlockende Mischung aus Abenteuer und Vergnügen"
Bastian ist ein überaus engagierter Medizinstudent. Für ihn scheint es nur die Uni und seine Lehrbücher zu geben. Er begleitet Sandra auf ein Mittelalterfest. Sandra trifft dort Mitglieder ihrer Rollenspielgruppe Saeculum. Da Bastian in Sandra verliebt ist, nimmt er die Einladung an, sie zur nächsten Convention der Gruppe zu begleiten: fünf Tage im österreichischen Mischwald, Leben wie im Mittelalter, Kleidung tragen, die zeitgemäß sein könnte, sich selbst versorgen.
Am Zielort geschehen seltsame Dinge. Auf dem Wald soll ein alter Fluch liegen. Ein Junge soll seinen Halbbruder dort ermordet haben. Es gibt eine Sage, die davon erzählt, sagt Doro, die gerne Runen wirft. Doro ist sicher, dass niemand aus dem Wald wieder herauskommt.
Rollenspiele
"Saeculum" ist nach "Erebos" der zweite Jugendroman von Ursula Poznanski. Die Autorin begibt sich einmal mehr in die Welt der Rollenspiele. Nur gibt es in "Saeculum" keine Computer. Der Roman ist in fünf um die hundert Seiten lange Teile gegliedert. Jedem Teil steht auf einer schwarzen Seite mit weißem Text ein Gesprächsausschnitt voran. Dessen Bedeutung ist unklar, die Sprecher sind unbekannt. Der Sinn erschließt sich gegen Ende des Romans. Die einzelnen Kapitel tragen keine Bezeichnungen.
Es gibt weder einen allwissenden Erzähler noch jemanden, der die Ich-Perspektive einnimmt. Eine bunte Schar von Teilnehmern macht etwas, spricht miteinander, und wir Leser sind in ähnlicher Weise dabei, wie die Kamera in einem Dogma-Film.
Saeculum ist angesiedelt im 14. Jahrhundert. Es sind Aufgaben zu bewältigen, die Teilnehmer müssen ihr Spiel-Ich konsequent leben und entwickeln. Die mittelalterliche Rangordnung ist einzuhalten.
Aus diesen Regeln ergeben sich teilweise seltsame persönliche Beziehungen und Probleme. So ist Ralf ein armes Würstchen und spielt den Ranghöchsten, den Ritter Alaric von Thanning. Er reagiert empfindlich, wenn man seinen Anweisungen nicht Folge leistet. Lisbeth, die Freundin Georgs, ist Geruscha, die Schönste im Saeculum-Land. Einige Männchen spielen sich deshalb als ihre Beschützer auf. Unter dem Vorwand, er müsse Aufträge erledigen, versucht man Georg von ihr zu trennen, damit zumindest gedanklich der Weg zu ihr frei wird.
Der dicke "Steinchen" spielt Kuno vom Fass, den Wirt, der die Gruppe mit warmer Nahrung versorgt, die sich im Magen aufbläht und einen schweren Gang verursacht. Bastian spielt Tomen, einen Heiler – nahe liegend, als Medizinstudent. Iris ist Cecilia, die diebische Bardin. Sie spielt Harfe. Die Spieler sprechen anfangs mittelalterlich gekünstelt, verfallen aber häufig, besonders bei Aufregung, in ihre Alltagssprache. Der Roman zieht seine Spannung aus der Gruppendynamik und der Frage, ob für die Vorkommnisse ein Mensch oder ein Fluch verantwortlich ist. Am Anfang erscheinen die Saeculum-Spieler als unbeschwerte Freunde. Das legt sich jedoch recht schnell.
Ursula Poznanski zeigt, wie vielfältig Menschen Rollen spielen, nicht nur in Rollenspielen, und welche Probleme sich daraus ergeben können.
Eine Geschichte wie ein Horrorfilm
Die Erzählung ist sehr bildhaft und weist Bezüge zum modernen Horrorfilm auf. Darin gibt es zwei beliebte Bewegungsmuster: von der Stadt in die Natur und aus dem offenen in den geschlossenen, sich verengenden Raum. Beide Muster sind bestimmend für "Saeculum". Die Rollenspiel-Gruppe fährt nach Wieselburg an der Erlauf, einem realen Ort in Niederösterreich, und lässt sich von dort in einen Wald transportieren, in dem die Spieler einer unbekannten Bedrohung ausgesetzt sind. Ihre Fluchtbewegung führt sie zunehmend in die Enge.
Beliebte Horrorserien wie "Freitag, der 13." beginnen mit einer Exposition, die "Saeculum" ähnelt. Die Leser werden langsam in das Geschehen hineingezogen. Die Hauptfigur Bastian wird vorgestellt. Wir erfahren, dass er ein Neuling auf dem Gebiet der Live-Rollenspiele ist. Sein eigentlicher Grund, sich an dem Unternehmen zu beteiligen, ist Sandra. Wie in der "Freitag"-Reihe sind von Anfang an Vorahnungen eingebaut. So glaubt Iris auf dem Mittelaltermarkt jemanden zu sehen, der sie verfolgt. Bastian wird angerufen und gewarnt, er solle nicht an der Convention teilnehmen. Doro, die Runen wirft, spricht häufiger Warnungen aus.
Ein weiteres Motiv dieser Horrorserien ist eine Geschichte aus der Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinwirkt. Bei "Saeculum" geschieht dies gleich zweifach. In einem Fall ist es eine Sage, Die Blutgruft, über den Fürsten von Falkenwarth, seine beiden Söhne und einen Fluch.
Ein weiteres Standardmotiv im Horrorfilm ist das des Stalkers. Es bestimmt in "Saeculum" einen wichtigen Handlungsstrang. Wer das Stalkermotiv kennt, gewinnt schnell eine Vorstellung davon, welches Geschlecht die Bösen haben könnten, wie und von wem der um den Stalker angelegte Konflikt aufgelöst werden könnte. Wer Stephen Kings "Der Nebel" kennt, weiß auch früh schon etwas mit der Figur Doro anzufangen. Das Motiv des verwunschenen Hauses wird in "Saeculum" auf reizvolle Weise unter die Erde gebracht.
Die Autorin spielt das Horrorelement intensiv aus. Jemand beobachtet die Gruppe, bedrohliche Nachrichten tauchen auf, auf Baumrinde geschriebene, verschlüsselte Texte. Kurz nach Ankunft der Gruppe verschwindet ein Spieler. Nachts schleicht jemand durch den Wald. Und das ist nur der Anfang.
Später wird aus der Erzählung eine Art "Herr der Fliegen". Sind die Figuren bis hierhin noch eine scheinbar bunte Mischung von Individuen, von der wir im Verlauf der Handlung erfahren, dass es doch mehr Ähnlichkeiten gibt, als es scheint, so bilden sich bald zwei Gruppen, bedingt durch sozialen und psychischen Schnellverfall.
Schließlich gibt es einen weiteren Wechsel, nunmehr zu einer Kriminalgeschichte. Hier löst die Autorin die Hauptgeschichte, das Mysterium, auf und verbindet sie geschickt und einleuchtend mit den wichtigeren der kleinen Geschichten. Es zeigt sich, dass diese ohnehin die ganze Zeit mit der Hauptgeschichte zusammen hingen.
FAZIT
"Saeculum" ist wie "Erebos" ein Thriller. Die Figuren sind gegenüber dem Vorgänger zumeist älter, überwiegend Studenten. Während in "Erebos" die Grenzen zwischen Spiel und Realität verwischen, gibt es in "Saeculum" eine unscharfe Grenzziehung zwischen Heute und Mittelalter, Realität und Sage. Erzählmustern des modernen Horrorfilms, besonders des Slasherfilms, folgend, bietet "Saeculum" eine spannende Geschichte mit einfallsreichen Wendungen.
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