Der Werwolf will nicht nur spielen
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Der Werwolf will nicht nur spielen"
Irritiert ist Toby, als er eines Tages im Krankenhaus aufwacht und erfährt, er sei bewusstlos und splitterfasernackt in einem Dingo-Gehege im Nationalpark aufgefunden worden. Seltsam. Seltsam ist auch der junge Mann, der Toby besucht, und ihm klarmacht, dass er eine Therapie machen muss, damit sein »Leiden« nicht zur Gefahr für ihn und andere wird. Wie bitte? Völliger Quatsch! Doch als Toby ins Outback verschleppt und in einen Käfig gesperrt wird, muss er sich schließlich eingestehen: Alle glauben, er sei ein Werwolf! Ihm und seinem Mitgefangenen Sergio gelingt die Flucht. Aber wohin im Outback? Da kann man sich ja nicht mal hinter einem Busch verstecken! Und für eine angeblich menschenleere Gegend laufen dort ziemlich viele merkwürdige Gestalten rum ...
Wie kommt man in eine Werwolf-Selbsthilfegruppe?
Von einem nächtlichen Ausflug in das Dingo-Gehege des nächstgelegenen Parks weiß der 13-jährige Toby Vandevelde nichts, als er im Krankenhaus aufwacht. Der Arzt tippt auf Epilepsie. Wieder daheim bekommen die Vandeveldes Besuch von dem katholischen Priester Father Ramon Alvarez und von Reuben Schneider, einem etwas verwahrlost aussehenden jungen Mann. Sie beteuern, Tobys Leiden zu kennen, Reuben hat es angeblich auch. Toby sei eine Gefahr für sich und andere, behaupten sie. Auch Reuben lasse sich einmal im Monat bei Vollmond einsperren, weil er sich in einen Werwolf verwandeln würde, so wie Toby das in jener Nacht auch passiert sei.
Nachdem Tobys Mutter die Männer herausgeworfen hat, heckt der Junge mit seinen Freunden Fergus und Amin einen Plan aus, mit dem sie Reuben der Lüge überführen wollen – was nicht gelingt. Reuben durchschaut den Plan und zeigt den Jungen stattdessen frische Bissspuren an Mülleimern im Dingo-Gehege. Toby und seine Freunde willigen ein, des Fathers Gruppe mit Reuben und anderen Betroffenen zu besuchen, und langsam dämmert es dem Jungen, dass tatsächlich etwas Wahres an den absurd klingenden Behauptungen sein könnte. Doch bevor er eine Entscheidung treffen kann, wird er von falschen Polizisten entführt und in einen Keller gesperrt. Und die haben keineswegs den Schutz Tobys vor sich selbst im Sinn.
Werwölfe sind gefährlich – und Menschen erst recht
Da hat sich der dtv-Verlag bei der Gestaltung des Buchcovers mal etwas Besonderes einfallen lassen, ein Werwolf/ Teenager-Portrait mit 3D Effekt. Je nachdem wie man das Bild hält, sieht man einen Teenager oder einen Wolf, oder beides. Das Coverbild ist ein echter Hingucker und passt zur Atmosphäre des Buchs. Weniger originell war man bei der Wahl des Titels.
Der australische Originaltitel lautet "The Abused Werwolfe Rescue Group", was man mit "Rettungsteam für missbrauchte Werwölfe" übersetzen könnte. Es ist verständlich, dass der Verlag einen derart sperrigen Titel gescheut hat. Aber "Mit Zähnen und Klauen" passt überhaupt nicht. Denn es geht zwar um Werwölfe nach klassischem Strickmuster, aber wir erleben sie weder reißend noch beißend. Es geht darum, mit etwas Unfassbarem konfrontiert zu werden, sich dem zu stellen und weiter zu leben. Soweit hätte die Autorin auch über einen Teenager schreiben können, der plötzlich mit einer schweren "normalen" Krankheit klar kommen muss. Doch Jinks schreibt auch ein phantastisches Abenteuer. Darüber wie international organisierte Verbrecher dieses "Anderssein" auf widerlichste Weise ausnutzen und mit der Veranstaltung eines Kampfes um Leben und Tod Geld verdienen wollen.
Nicht allen Autoren gelingt es, einen zugleich spannenden und komischen Roman zu schreiben, Catherine Jinks schon. Toby erzählt die Ereignisse in einer rückblickenden Ich-Perpektive aus seiner Sicht. Manchmal nutzt er das für unheilvolle Voraussagen, wie:
"Die Welt erschien mir aufregend und vielversprechend. Aber nicht lange. Als Father Ramon Alvarez auftauchte, ging alles den Bach runter." (S. 48)
Anschließend lesen wir wieder Dialoge mitten aus dem Leben gegriffen, typische Teenagergedanken und kleine Lausbubengeschichten, die die düstere Stimmung auflockern und für Heiterkeit sorgen.
Nicht nur die Erzählweise, auch der Storyaufbau sorgt dafür, dass nie Langeweile aufkommt. Toby muss sich zunächst an den Gedanken gewöhnen, eine Art Monster zu sein. Nach gut einem Drittel des Buchs geht es Schlag auf Schlag: Entführung, Gefangennahme, Flucht und erneute Jagd. Catherine Jinks sorgt mit ihrem frischen Stil und einer schnellen Handlung für ein abwechslungsreiches Lesevergnügen. Es gibt also nichts zu meckern? Ein wenig doch.
Dem Finale hätten etwas weniger Flucht, Kampf, bizarre Verwandlung und etwas mehr Erkenntnis gut gestanden. Am Ende wird recht kurz auf den Ausblick eingegangen, wie die Mitglieder der "Selbsthilfegruppe" und auch Toby das Leben nun meistern werden.
nebenbei bemerkt:
Wenn man schon mehrere Bücher von Catherine Jinks gelesen hat fällt zudem auf, das sich ihre Geschichten doch recht ähnlich sind. So spielt auch in der "Teuflisch"-Trilogie ein Teenager, der eigentlich normal aber eben superintelligent und dadurch doch anders ist, die Hauptrolle. Und auch Cadel wird wegen seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten von finsteren Verbrechern gejagt. Witzig ist wiederum, dass es zu dem Roman "Mit Zähnen und Klauen" ein "weibliches Pendant" gibt. "Blutsbande" beschreibt die Geschichte der Vampirin Nina, die ebenfalls zu Father Ramons Gruppe gehört und Toby zur Seite steht. Dieses Buch trägt im Original passenderweise den Titel: "The Reformed Vampire Support Group".
FAZIT
"Mit Zähnen und Klauen" - ein seltsam unpassender Titel für einen Roman, der sowohl durch pfiffige Dialoge und Situationskomik, als auch durch mitreißende Spannung begeistert. Catherine Jinks hat ihren Werwolf zwar recht klassisch gestaltet, ihn aber in einem ganz neuem Licht und mit den Augen eines 13-jährigen Teenagers betrachtet. Und so einen smarten, sympathischen Helden in ein schauerliches Abenteuer geschickt.
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