Wie einsam fühlt sich Einsamkeit an?
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Wie einsam fühlt sich Einsamkeit an?"
Tom ist von der Brücke gesprungen – oder ist er gefallen? – und liegt im Koma. Für seine kleine Schwester Jana gleich doppelt schlimm. Sie vermisst Tom. Und sie vermisst ihre Eltern, die sich nur noch um Tom kümmern. Sogar ihren 13. Geburtstag haben die Eltern vergessen. Jana fällt in ein tiefes schwarzes Loch, sucht verzweifelt einen Ausweg aus der Einsamkeit, in die sie die Ereignisse gestoßen haben. Da ist Louise. 17 und mit zwei – nein drei, da ist ja auch noch Omas Hund – Ferienjobs ausgelastet. Deshalb freut sich Louise nicht darüber, dass Jana ausgerechnet sie zu ihrem Vorbild auserkoren hat und ständig ihre Nähe sucht. Mit der Zeit kommen sich die beiden Mädchen allerdings näher. Und erkennen, dass sie doch mehr gemeinsam haben, als sie zunächst dachten.
Die Idee, die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive von Jana und Louise zu erzählen, ist an sich bestechend. An sich – denn die Umsetzung ist nicht ganz so geglückt. Der schnelle Wechsel und die optisch identische Gestaltung der beiden Erzähl-Perspektiven lassen den Lesefluss immer wieder stocken. Es dauert jeweils eine Weile, bis deutlich wird, ob nun gerade Jana oder doch Louise erzählt. Mit der Zeit lässt sich dies zwar bedeutend leichter einordnen, wohl auch, weil die Leser den beiden Mädchen im Verlauf der Geschichte immer näher kommen, doch glücklich ist diese Lösung bis zum Schluss nicht. Diese Koketterie mit der Erzählperspektive ist eine unnötige Hürde. Das ungewöhnliche Stilmittel ist wohl als Würze gedacht, versalzt aber die Suppe eher, als dass sie ihr zusätzlich Pfiff verleihen könnte.
Abgesehen von der etwas missglückten Sache mit der Erzähl-Perspektive legt Tamara Bach aber einen einfühlsamen und nachdenklich stimmenden Jugendroman vor. Die Autorin geht all die kleinen Schritte mit Jana, die den frischgebackenen Teenager an den Rand des Abgrunds führen. Die Überforderung der Eltern mit der Situation wird zwar deutlich, doch lässt Tamara Bach die große psychische Belastung der Erwachsenen nicht als Entschuldigung für deren Handlungsweise gegenüber der einsamen Tochter gelten. Die leise Anklage ist allerdings gut verpackt, sie schimmert immer wieder durch, ist aber nicht zentraler Punkt der Schilderung. Jana schält sich immer deutlicher als eigentliche Hauptfigur heraus, auch wenn die Story zunächst wie eine Schilderung von Louise wirkt, in der Jana lediglich eine der Nebenfiguren darstellt.
Die Autorin bemüht sich, ihre Sprache der jeweiligen Erzählerin anzupassen, nutzt für Louise eine etwas schmissige und leicht zickige Erzählweise, während bei Jana durchaus noch das Staunen des Kindes zum Ausdruck kommt. Dadurch schafft Tamara Bach Nähe zu den beiden Mädchen und lässt die Leser immer stärker an deren Schicksal teilhaben. Während es anfänglich vor allem eine interessierte Außenansicht bleibt, öffnet sich die Gefühlswelt immer stärker, so dass die Leser schließlich dem Schmerz und den Gedanken sehr nahe kommen.
FAZIT
Trotz stellenweise humoristischer Erzählweise ist "Was vom Sommer übrig ist" ein berührendes Buch, das lange nachwirkt. Auf gerade einmal 137 Seiten erzählt Tamara Bach eine Geschichte über Einsamkeit, Verzweiflung und Eltern, die nicht mehr erkennen, wie nötig ihre Kinder sie gerade brauchen würden. Und sie erzählt von einer Freundschaft, die sich gegen alle äußeren Widerstände zu entwickeln vermag.
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