Ich wünschte, ich könnte dich hassen
- Chicken House
- Erschienen: Januar 2011
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- Chicken House, 2009, Titel: 'Stolen', Originalausgabe
Verwirrung in der australischen Wüste
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Verwirrung in der australischen Wüste"
Am Flughafen von Bangkok streitet sich Gemma mit ihren Eltern. Dort wird sie auch auf den jungen Mann Ty aufmerksam, den sie für eine wunderbare Ablenkung hält. Er bezahlt für sie im Coffee-Shop, kippt ihr aber ein Betäubungspulver in den Kaffee, setzt ihr eine Perücke und eine Sonnenbrille auf, zieht ihr Schuhe mit hohen Absätzen und eine andere Jacke an. Ihren Pass wirft er in einen Müllcontainer, weil er einen anderen für sie hat, mit einem anderen Namen. Statt mit ihren Eltern nach Vietnam zu fliegen, findet sie sich irgendwann mit Ty in einem Haus in Australiens Einöde wieder.
Einen Fluchtversuch vereitelt er. Auf ihre Frage nach seiner Absicht antwortet er, er musste sie entführen, er wolle nicht allein sein und sie werde für immer bei ihm bleiben. Er fesselt sie ans Doppelbett, damit sie nicht wieder zu fliehen versucht.
Gemmas Vater ist erfolgreicher Börsenmakler, ihre Mutter Kuratorin. Natürlich versuchen sie, ihre Tochter zu finden.
Werden sie es schaffen, Gemma aus den Händen ihres Entführers zu befreien, bevor sie sich in ihn verliebt und für immer bei ihm bleiben will? Oder will sie nicht bei ihm bleiben und schafft es, ihm zu entkommen?
Zitat:
"Es ist komisch, ich habe immer geglaubt, blauen Augen könnte man trauen. Ich dachte, sie signalisieren Sicherheit."
Gemmas Perspektive
Die Erzählperspektive ist durchgehend Gemmas. Der ganze Roman ist ein rund 360 Seiten langer Brief an ihren Entführer Ty. Es gibt keine Kapiteleinteilungen, lediglich ein Strudelsymbol wird zur Markierung von Abschnitten verwendet. Die Erzählung ist ein einziger langer Fluss aus Erinnerungen, die Gemma an ihre Entführungszeit hat, durchsetzt mit Gedanken, die sie sich damals oder beim Schreiben gemacht hat.
Gemmas Erinnerungsvermögen ist beeindruckend, weiß sie doch im Detail alles wiederzugeben, bis hin zu den Gesprächen mit Ty. So erfahren wir alles über die Umstände der Entführung und über Gemmas Innenleben.
Während ihrer Gefangenschaft träumt Gemma, wie die Suche nach ihr ablaufen könnte. Sie denkt viel an zu Hause, mit geschlossenen Augen, die sie am Ende wieder öffnet, nur um Ty sehen zu müssen. Sie ritzt Kerben in ihr Bett, eine für jeden Tag. Ein weiterer Fluchtversuch misslingt. Ty schenkt Gemma ein Notizheft und einen Bleistift. Sie zeichnet ihre Eltern als formlose Fremde, beginnt einen Brief an sie, den sie gleich nach der Anrede wieder abbricht, schreibt eine Reihe von Adjektiven auf, die ihre Situation beschreiben.
Als Gemma zehn Jahre alt war, erwählte Ty sie, beobachtete sie in den Folgejahren und bereitete sein Unternehmen vor.
Ty erzählt ihr von seiner schlimmen Kindheit und Jugend. Er wird dadurch zu einer ambivalenten Figur, was er auch sein muss, damit sich positive Gefühle in Gemma entwickeln können. Dennoch begeht er ein Verbrechen, indem er einen Menschen seiner Freiheit und Selbstbestimmung beraubt.
Die Geschichte bekommt durch das briefliche Erzählformat eine sehr persönliche, intime Note. Da es sich um einen rückschauenden Brief handelt, weicht die Intensität der Emotionen natürlich von der ab, die bei einer Erzählung zu erwarten wäre, in der die Ereignisse mit ihrer Wiedergabe durch Gemma zeitlich zusammenfallen.
Der Roman wirft Fragen auf, unter anderem diese: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem 11. September 2001 ein junger Mann eine 16-jährige am Flughafen mit einem Betäubungsmittel außer Gefecht setzt, sie verkleidet, ihr eine Sonnenbrille und Perücke aufsetzt und sie durch zwei Flughafenkontrollen bringt?
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger Mann einen englischen Teenager aus Bangkok nach Australien entführt, einen Teenager, der durch seine Betäubung nicht in der Lage ist, sich zu wehren und zu sprechen, folglich auch nicht selbst einchecken kann?
FAZIT
"Ich wünschte, ich könnte dich hassen" ist ein Roman, der von einer interessanten Idee ausgeht, die allerdings nicht neu ist. Die Entführung selbst ist in ihrer Durchführung nach dem Attentat auf das World Trade Center und die anschließenden rigiden Änderungen in den Sicherheitskontrollen an Flughäfen nicht wirklich nachvollziehbar. Ungefähr das erste Drittel des Romans ist spannend und unterhaltsam. Danach gibt es viele inhaltliche Dehnungen, viele Banalitäten, viele Varianten von Naturbeschreibungen und Gefühlsäußerungen, was man unter Umständen langweilig finden kann. Dann wartet man nur noch auf die Auflösung, die allerdings schon bei geringem Denkaufwand zwingend ist.
Lucy Christopher, Chicken House
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